Internationaler Tag gegen Rassismus: Wo stehen wir 64 Jahre nach Sharpeville?

Die Welt ist heute eine andere als 1960, aber die alten Muster sind nicht überwunden, und der Internationale Tag gegen Rassismus hat nichts von seiner Dringlichkeit verloren. Die gesellschaftlichen und gedanklichen Prozesse, die Andere ausgrenzen und entmenschlichen, sind nach wie vor aktiv – und es sind nicht nur die reaktionären Kräfte, sondern auch vermeintlich liberale Stimmen, die rassifizierte Unterdrückung ermöglichen.

Am 21. März 1960 eröffneten Sicherheitskräfte des südafrikanischen Apartheidregimes das Feuer auf tausende Demonstrant:innen in Sharpeville bei Johannesburg und töteten und verletzten 250 Menschen. Danach vergingen noch mehr als 30 Jahre bis zum offiziellen Ende der Apartheid in Südafrika, aber das Massaker und seine Verurteilung durch den UN-Sicherheitsrat gelten heute als ein Wendepunkt im Kampf gegen dieses menschenverachtende System. Seit 1966 ist der 21. März der von den Vereinten Nationen ausgerufene Internationale Tag gegen Rassismus. Die politische Dekolonisierung war derzeit noch in vollem Gange, und in den USA waren gerade zwei Jahre vergangen, seitdem die Rassentrennung durch den Civil Rights Act gesetzlich aufgehoben wurde.

Heute ist die Welt eine andere, aber der Internationale Tag gegen Rassismus hat nichts von seiner Dringlichkeit verloren. Unabhängig von internen Gerechtigkeitskämpfen steht Südafrika heute auf globaler Ebene für die Rechte der Palästinenser:innen vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) ein: Es hat eine Klage gegen Israel unter der Genozidkonvention eingereicht, die das Weltgericht Anfang des Jahres aufgrund der vorläufigen Sachlage annahm. Gleichzeitig verhängte der IGH vorbeugende Maßnahmen, um einen drohenden Völkermord Israels in Gaza zu verhindern. Die Nachrichten aus Gaza lassen darauf schließen, dass Israel und seine vornehmlich westlichen Verbündeten ihren völkerrechtlichen Pflichten nicht nachkommen und dass das Töten und die rassifizierte Entmenschlichung der Palästinenser:innen weitergeht.

Auch das Sterben von Migrant:innen im Mittelmeer lässt nicht nach: Seit 2014 hat die Internationale Organisation für Migration (IoM) 27.238 Todesfälle infolge von Ertrinken im Mittelmeer dokumentiert. Trotz dieser alarmierenden Zahlen und der anhaltenden Tragödien setzen die politischen Lösungen Europas weiterhin auf Abschottung und Auslagerung, wie das kürzlich abgeschlossene milliardenschwere Abkommen mit Ägypten, das sowohl an afrikanische Staaten als auch an Gaza grenzt, zeigt.

In Deutschland, Europa und anderen Teilen der Welt bestimmen rechte bis rechtsextreme Kräfte zusehends die Politik. In Deutschland sind in den letzten Monaten unzählige Menschen auf die Straße gegangen, um gegen den Rechtsruck zu demonstrieren. Das laute Nein zu Rassismus bringt Hoffnung für unsere Gesellschaft.

Gleichzeitig zeigen sich auf diesen Demonstrationen, in der medialen Berichterstattung und der Regierungspolitik der Ampel-Koalition die Risse in der Brandmauer. Hier sind es nicht überzeugte Rassist:innen, sondern im weiteren Sinne Liberale, die die Anwesenheit von Palästinenser:innen und Leuten, die sich mit ihnen solidarisieren, nicht dulden. Auch andere Migrant:innen, Jüd:innen und Menschen of Color, die sich für eine wirklich tiefgreifende Veränderung der globalen Machtverhältnisse einsetzen, erfahren Ablehnung.

Die alten Muster sind nicht überwunden. Während Unterstützung für das Apartheidsystem in Israel als Einsatz gegen Antisemitismus (miss)verstanden wird, wird das eigentliche Problem übersehen: die Entmenschlichung von Gruppen, die als nicht zugehörig eingestuft werden. Das erfahren heute in besonderem Maße Palästinenser:innen. Dass die mediale Öffentlichkeit diese Entwicklung nicht wahrnimmt bzw. sie sogar fördert, zeigt, wie oberflächlich das Bewusstsein für Rassismus und Antisemitismus hier in Europa nach wie vor ist.

Somit bleibt der Internationale Tag gegen Rassismus ein wichtiger Moment, um Bilanz zu ziehen und festzustellen, dass Rassismus nicht nur von reaktionären Kräften ausgeht. Wenn ein gesellschaftliches Bündnis gegen rechts von Rassismus und Unterdrückung betroffene Menschen ausgrenzt, müssen wir die Solidaritätslinien überdenken.

 

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