Das Bauen rebellischer Städte
‚Rebel Cities‘ als ein theoretisches Konzept geht auf das 1968 vom französischen Philosophen Henri Lefebvre entworfene Werk „Recht auf Stadt“ zurück. Den Namen, ‚Rebel Cities‘, verdankt es dem Sozialtheoretiker David Harvey, der die baulichen Entwicklungen innerhalb einer Großstadt auf die globalen Geldströme zurückführt. Wenn beispielsweise in einer bundesdeutschen Großstadt wie Berlin oder Hamburg Großprojekte wie die Elbphilharmonie oder der Berlin-Brandenburgische Flughafen gebaut werden, dann weil internationales Geld nach lukrativen Investments sucht. Harvey zufolge sind solche Investitionen Anzeichen für wirtschaftliche Krisen und Immobilienblasen.
Darüber hinaus wird in ‚Rebel Cities‘ der soziale Aspekt einer städtischen Gemeinschaft betont. Oder wie es die Stadtforscher Andrej Holm und Dirk Gebhardt ausdrücken: es geht um „die konkrete Benutzung städtischer Räume … den Zugang zu den politischen und strategischen Debatten über die künftigen Entwicklungspfade“. Wie vielversprechend das Konzept sein kann, darauf hatte dann zu Beginn des DiEM-Labs Martin Pairet, Aktivist bei DiEM25 und Netzwerker der Organisation ‚European Alternatives‘, verwiesen. Er machte darauf aufmerksam, dass es „mehrere Möglichkeiten“ gibt eine ‚Rebel City‘ erfolgreich umzusetzen. So seien Barcelona und Neapel bereits nach dem Vorbild des Konzeptes gestaltet. Beide Stadtbehörden bildeten ein eigenes „Labor“, mit eigener Geschichte, eigenen Erfahrungen und vor allen Dingen, einer spezifischen Bevölkerung. Und Berlin?
Während die Wasserprivatisierung in Neapel gestoppt wurde und die städtische Verwaltung die Wasserversorgung betreibt, fordern auch manche BerlinerInnen eine andere Stadtentwicklung. Lisa Vollmer, Forscherin zu Mietprotesten in Berlin und New York, sprach auf dem DiEM-Lab für das Bündnis „Stadt von Unten“. Das Bündnis steht für „kommunal und selbstverwaltet“. Lisa hielt einen informativen Vortrag über aktuelle stadtpolitische Geschehen sowie die alltäglichen Auseinandersetzungen rund um die Themen Mietpreiserhöhung, öffentliches Eigentum und Zwangsräumungen.
Stadt von unten
Derzeit beschäftigt sich das Bündnis vor allem mit einem ehemaligen Kasernengelände in Friedrichshain-Kreuzberg, dem ‚Dragoner-Areal‘. Es fordert, dass das Gelände als „innerstädtische Freifläche entlang der Interessen lokaler NutzerInnen entwickelt“ wird. Doch bereits 2012 wurde das 4,7 ha große Areal „meistbietend“ für ca. 21 Mio. Euro an den Investor ABR German Real Estate verkauft, und zwar von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Der Investor plante hochpreisige Eigentumswohnungen, Genossenschaftsbauten und Neubau durch Baugruppen. Dem Baugesetz zufolge müssen Bebauungspläne jedoch so aufgestellt werden, dass sicher gestellt werden kann, das bei der Planung alle Belange und Probleme sorgfältig erfasst und gerecht abgewogen werden können. Vor allem die umfassende Beteiligung aller Betroffener und der Öffentlichkeit soll sichergestellt werden. Doch der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wollte keinen Aufstellungsbeschluss. So trat die German Real Estate vom Kauf zurück.
Deshalb hatten AnwohnerInnen im Rahmen eines Beteiligungsverfahrens „massive Zweifel am Versprechen ‚bezahlbarer‘ Wohnungen durch einen Privatinvestor geäußert“. Infolgedessen hat die BImA die ehemalige Kaserne erneut „im Höchstbieterverfahren ausgeschrieben“. In der Mieterstadt Berlin (60% der BewohnerInnen haben Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein zum Bezug einer Sozialwohnung) gibt es zudem eine weitere Gruppierung, deren Wohnsituation äußerst prekär ist: MigrantInnen.
Städtische Vielfalt
Max Hoßfeld von der Initiative ‚Give Something Back To Berlin‘ (GSBTB) stellte während des Labs die Arbeit seiner Organisation vor. Gerade einmal vor 5 Jahren gegründet, ist GSBTB mittlerweile die größte Plattform für Nachbarschaftsarbeit und soziale Beschäftigungen in Berlin. Sie kümmert sich darum, dass die riesige Community an MigrantInnen in Berlin arbeiten kann. GSBTB hat hunderte an Freiwilligen aus über 60 verschiedenen Ländern. Sie reichen von Jetsettern bis hin zu Menschen mit Geflüchtetenstatus. GSBTB vereint unglaublich viele und vielfältige Menschen und fordert: „get involved“. Es ist ein Aufruf an alle in Berlin lebende Menschen, Gemeinschaften aufzubauen und zusammen soziale Projekte zu stemmen. Es gibt bereits mehr als sechzig Projekte zu den verschiedensten Themen: Zentren für Wohnungslose, Mentorenprogramme oder auch kreatives Arbeiten mit Kindern. Heute erreicht GSBTB 14.474 TeilnehmerInnen jährlich allein für die eigenen Geflüchtetenprojekte.
Aus einer anderen Perspektive wurde das Thema Flucht und Migration von Christoph Wiedemann beleuchtet, der von 2015 bis 2016 eine Notunterkunft für rund 180 männliche Geflüchtete in Berlin geleitet hatte. Er berichtete über Selbstorganisation und Selbstverwaltung in der Notunterkunft. Dort hatten sich einige Bewohner dafür eingesetzt, sich selbst Regeln zu geben und die Verantwortung für deren Durchsetzung übernehmen zu können, während ein anderer Teil unter Verweis auf die autokratischen Systeme in ihren Herkunftsländern der Meinung gewesen war, die Regeln müssten von der Leitung der Notunterkunft vorgegeben und durchgesetzt werden. Christoph betonte vor diesem Hintergrund, dass „die Geflüchteten“ keine homogene Gruppe bildeten, sondern z.B. sehr unterschiedliche politische Überzeugungen mitbrächten, und dass dadurch politische Allianzen zwischen progressiv-demokratischen Menschen mit und ohne Fluchthintergrund nahe lägen.
Building Rebel Cities?
Die OrganisatorInnen des ‚DiEM-Labs‘ waren entsprechend der Beiträge durchweg begeistert von der Veranstaltung. So sagte Johannes Fehr, Koordinator von DiEM25 Spontaneous Collective (DSC) 1 Berlin, dass es eine angenehme Veranstaltung war. Er habe gelernt, wie Stadt von Unten arbeitet und dadurch die städtischen Institutionen herausfordert. Johannes betonte den Aspekt der Zusammenarbeit und vor allem, dass „Geflüchtete Wahlrecht bekommen“ und die „Institutionen in der Stadtpolitik demokratischer gemacht“ werden sollten. Auch eine weitere Aktivistin bei DiEM25 Berlin lobte den „Mix“ der Beiträge sowie die Atmosphäre der Veranstaltung. So konnten alle TeilnehmerInnen am Ende festhalten, dass es mehr partizipatorische Rechte für Geflüchtete braucht, sowie, dass viele städtische Initiativen politische Repräsentation benötigen. Für die Zukunft kann DiEM lernen, dass der spezifisch europäische Charakter der Bewegung der wesentliche Vorteil ist. Städtische Probleme gibt es in allen europäischen, ja allen Städten weltweit; diese zu sammeln und zu koordinieren wird eine gewaltige Aufgabe für die Zukunft sein.
DSC Berlin
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