DiEM25 präsentiert das Grünbuch "Technologische Souveränität" in einer gemütlichen Barcamp-Atmosphäre

Die Location für das DiEM25 Barcamp {Technologische Souveränität} – Doing Tech the democratic way hätte nicht passender sein können. Der mythische Hackerspace c-Base in Berlin-Mitte war die perfekte Umgebung für die Präsentation des dritten Grünbuches von DiEM25. Rund 70 Personen nahmen an der 8-stündigen Veranstaltung teil, bei der Impulsvorträge, Panels und Fishbowls die verschiedenen Aspekte von technologischer Souveränität beleuchtet haben.

Von Plattform-Monopolen zu digitalem Gemeinwohl

Umgeben von modularen Synthesizern, 8bit-Arcade-Konsolen und Raumschiff-Teilen gaben die vier Koordinator*innen des DiEM25-Grünbuches „Technologische Souveränität“ einen kurzen Überblick über das making of und den Inhalt des Papiers, gefolgt von einer ausführlichen Diskussion des zweiten Kapitels: „A Digital Commonwealth for the 21st Century“ von Kate McCurdy und David Schwertgen.
Dieses Kapitel widmet sich den ersten Schritten der Technologiepolitik von DiEM25, zur Demokratisierung der digitalen Technologien. Es richtet sich an die so genannten Plattform-Monopole, ein Ökosystem von Unternehmen wie Alphabet (alias Google), Facebook, Apple und ihren zahlreichen Klonen und Off-Shoots, und fordert, dass wir deren Macht einschränken und die Wettbewerbsbedingungen für einen fairen Wettbewerb wieder öffnen müssen. Außerdem formuliert das Kapitel eine positive Vision für das „digitalen Gemeinwohl“ – einer demokratische Alternative zum Modell der Plattform-Monopolisten. Das Papier fordert u.a.:

  • eine stärkere und umfassendere Durchsetzung des Kartellrechts,
  • stärkere Regulierung des Datenschutzes im Internet,
  • verbindliche und sichere Interoperabilität zwischen digitalen Plattformen und
  • eine gemeinsame Vertretung der Datenproduzenten, sog. Datengewerkschaften;

und die Grundlagen für ein digitales Gemeinwesen zu schaffen, durch:

  • Dekommodifizierung von Daten durch eine öffentliche Daten-Allemende,
  • Unterstützung demokratischer Wirtschaftsstrukturen für datenbasierte Innovationen und
  • Schaffung eines Bündels digitale Rechte für Bürger.

Ein Beispiel für demokratische Wirtschaftsstrukturen sind z.B. Plattform-Kooperativen, die im zweiten Panel der Veranstaltung ausführlich behandelt wurden.


Die theoretische Grundlage des zweiten Kapitels wurde dann durch zwei Impulsvorträge von Experten konkretisiert: Claudio Agosti von tracking.exposed und Lorenz Matzat von AlgorithmWatch.
Claudio, Softwareentwickler, Forscher und DiEM25-Mitglied, präsentierte sein Projekt eu19.tracking.exposed, einen Versuch, die algorithmischen Manipulationsprozesse innerhalb digitaler Plattformen zu verstehen.
Lorenz informierte über die verschiedenen Bereiche, in denen seine gemeinnützige Organisation forscht. Eines dieser Projekte, der „Atlas der Automatisierung„, soll den Stand der automatisierten Entscheidungssysteme in Deutschland abbilden. Als dystopisches, internationales Beispiel nannte Lorenz den Algorithmus von Amazon, der automatisch Arbeiter entlässt, die nicht den Performance-Vorgaben von Amazon entsprechen.

Automatisierung und Plattform-Kooperativen

Der zweite Teil der Veranstaltung widmete sich der Digitalisierung und Automatisierung von Arbeit, der Frage wie Unternehmen besser kontrolliert werden können und der Entwicklung eines innovativen Konzeptes: Plattform-Kooperativen. Plattform-Kooperativen sind Modelle genossenschaftlichen Eigentums an digitalen Plattformen. Als theoretische Grundlage präsentierten die Koordinatoren Christoph Schneider und Joren de Wachter die Highlights des dritten und vierten Kapitels des Grünbuchs von DiEM25.


Joren stellte die provokante Frage: Ist geistiges Eigentum tatsächlich Eigentum? Urheberrechte helfen ihm zufolge niemandem, auf geschützten immateriellen Gütern aufzubauen und verhindern stattdessen nur, dass andere Menschen sie nutzen. Angesichts der Tatsache, dass große Teile von Forschung und Innovation durch öffentliche Gelder finanziert werden, stellte Joren eine Forderung, mit dem griffigen Slogan – „Public Money, Public Code“.
Seine Idee: Innovationen, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden, sollten für alle zugänglich bleiben, standardmäßig und unter dem jeweils großzügigsten Lizenzmodell.
Christoph Schneider konzentrierte sich auf einen Kernvorschlag: Eine Plattform für partizipative Budgetierung für Forschung und Innovation. Dieses vorgeschlagene System zum Crowdfunding würde es den europäischen Bürgern ermöglichen, öffentliche Gelder durch Abstimmung auf einer Online-Plattform zu vergeben. Gleichzeitig würde diese Plattform es den Bürgern auch ermöglichen eigene Projekte zu benennen, die sie für wichig halten. So könnte der Zugang zu öffentlichen Geldern auch für kleinere, soziale und nachhaltige Projekte niedrigschwellig gehalten werden.


Einen Input zu den aktuellen Problemen in Arbeitnehmerbeziehungen auf digitalen Plattformen gab DEMOKRATIE IN EUROPA-Kandidatin und Soziologin Joanna Bronowicka. Sie nannte einige Beispiele dafür, wie sich die Arbeitsbedingungen mit dem Aufkommen von Apps wie Foodora, Deliveroo und Uber verschlechtert haben. Für sie ist die Lösung dieses Problems eine zweifache: Investitionen in Plattform-Genossenschaften, die das genossenschaftliche Eigentum vorantreiben, und die Regulierung bestehender Unternehmen und ihrer Geschäftsmodelle.
In der folgenden Podiumsdiskussion zu Plattform-Kooperativen sprachen Peter Harris (Mitbegründer der Musik-Streaming-Plattform resonate.is), Ela Kagel (Kuratorin und Beraterin für Plattform-Kooperativen) und Felix Weth ( fairmondo.de) über ihre Erfahrungen. Natürlich ist der Alltag von Plattform-Kooperativen viel komplexer als es ein theoretischer Rahmen wie das DiEM25-Positionspapier erfassen könnte. Trotzdem haben die Diskussionsteilnehmer die Kernideen des Grünbuchs weitgehend positiv aufgenommen.

Final Takes: Demokratie ist die Technologie, die wir brauchen

Zum Abschluss des Abends gab es einige Impulsvorträge zu dem Thema, warum wir nicht nur technische Lösungen, sondern auch soziale und politische Ansätze für die Herausforderungen der Digitalisierung brauchen.
Mathana Stender, ein/e in Berlin lebende(r) Tech-Ethiker/in, stellte ihr Konzept CIVIL vor und sprach darüber, wie soziale und politische Akteure das Machtgleichgewicht verändern können, um im Zeitalter der Algorithmen Entscheidungsstrukturen zu bewahren, in denen der Mensch im Zentrum steht.
Bianca Praetorius, Startup-Coach und Kandidatin für DEMOKRATIE IN EUROPA, sprach über die Universal Citizens Divided, die DiEM25 als Mittel vorschlägt, damit die europäischen Bürger*innen an Produktivitätssteigerungen z.B. durch Automatisierung teilhaben können.
Der Abend endete mit gekühltem Bier und der Vorführung des interaktiven Dokumentarfilms Codonaut (online verfügbar unter codonaut.de), der Risiken, Perspektiven und Ausblicke im Bereich der künstlichen Intelligenz untersucht.
Die Koordinatoren des Grünbuchs zur technologischen Souveränität sind allen sehr dankbar, die zur Entwicklung des Papiers beigetragen und/oder an der Barcamp-Veranstaltung teilgenommen haben – es war ein hervorragendes Beispiel für Demokratie in Aktion!
DiEM25s 3. Grünbuch Technologische Souveränität
[Image: CC BY-SA 2.0 by JérémY]

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