EU-Parlament: Deutsche Grüne mit rechter Politik im Nahostkonflikt

Das Europäische Parlament hat sich für einen dauerhaften Waffenstillstand in Gaza ausgesprochen. Das scheint ein großer Schritt im Vergleich zum leisen Ruf nach humanitären Pausen im Oktober. Eigentlich ist das aber belanglos, da die Forderung unter anderem an die Zerschlagung der Hamas gekoppelt ist. Nach über drei Monaten unermesslicher Zerstörung und über 25.000 Toten deutet nichts darauf hin, dass dieses von Israel formulierte Kriegsziel auch nur im Entferntesten umsetzbar ist.

Deshalb ist der Beschluss zumindest in Bezug auf einen Waffenstillstand im Grunde hinfällig. Darüber hinaus hatte die Abstimmung allerdings einiges zu bieten. Sowohl die inhaltliche Ausrichtung der verschiedenen Fraktionen als auch das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten sind eine nähere Betrachtung wert. Insbesondere die deutsche Europagruppe von Bündnis 90/Die Grünen fiel unangenehm durch ihre Unterstützung vieler Änderungsanträge aus den konservativen und rechten Fraktionen auf.

Kurz zusammengefasst lassen sich zwei Aspekte hervorheben: Erstens, die politische Linie Israels wird in Europa von rechten Parteien vertreten, und zweitens weichen die deutschen Grünen in beeindruckender Deutlichkeit vom grundsätzlichen Konsens der progressiven Kräfte Europas ab. Vor dem Hintergrund, was für die Menschen in Gaza und letztendlich der ganzen Region gerade auf dem Spiel steht, ist das skandalös.

Die Schlüsselfrage bei der Abstimmung über den gemeinsamen Entschließungsantrag der S&D (Sozialdemokrat:innen), Renew (Liberale) und den Grünen/EFA war die oben genannte Koppelung eines dauerhaften Waffenstillstands an zwei Voraussetzungen, die unverzügliche und bedingungslose Freilassung aller Geiseln sowie die Zerschlagung der Hamas. Diese Position wird hauptsächlich von Konservativen und Rechten im europäischen Parlament vertreten und wurde von EVP (Christdemokraten) und EKR (Konservative und Reformer) eingebracht. Änderungsanträge der Linken für einen sofortigen Waffenstillstand ohne direkte Bindung an andere Forderungen wurden von den Fraktionen der Linken und Grünen mit einer Handvoll Enthaltungen einheitlich angenommen – mit Ausnahme der deutschen Grünen, die dagegen stimmten. 

Auch bei anderen Änderungsanträgen stimmte die deutsche Europagruppe Grüne nicht nur generell – außer bei Fragen zur Leistung von humanitärer Hilfe – gegen Eingaben der Linken, sondern auch beständig gegen die eigene Fraktionslinie. Das ist einerseits inhaltlich auffällig, und andererseits eine nennenswerte Abweichung von der gängigen Praxis. Die Grünen/Europäische Freie Allianz sind traditionell diejenigen mit der höchsten Fraktionsdisziplin im Europaparlament.

Inhaltlich lässt sich bei den deutschen Abgeordneten der Grünen eine Nähe zur euro-kritischen, teils rechtspopulistischen Gruppe EKR erkennen, der ursprünglich auch die AfD, sowie bis heute Giorgia Melonis Fratelli d’Italia, angehörte. Textvorschlägen aus dieser Fraktion, welche die Hamas für die Toten in Gaza verantwortlich machen – einschließlich der Aussage, Hamas nutze Krankenhäuser – stimmten sie zu. Bei anderen kontroversen Punkten wie der Anzweiflung von Opferzahlen oder einer mutmaßlichen Mitschuld der UNRWA enthielten sie sich. Solche Narrative rechtfertigen nicht nur Israels Kriegsverbrechen; sie bewegen sich im Bereich alternative Fakten.

Des Weiteren stimmten sie Änderungsanträgen der Linken, welche die Luftangriffe und die anhaltende Blockade Gazas als Kollektivstrafe seitens Israels verurteilen, nicht zu. Ebenso lehnten sie einen Zusatz ab, der hervorhebt, „dass die Anordnung einstweiliger Maßnahmen durch den IGH [Internationalen Gerichtshof] und deren Umsetzung durch Israel einen sofortigen Schutz der Zivilbevölkerung bieten und unschuldige Menschenleben verschonen würde“. Diese Haltung widerspricht jeglichem Anspruch einer menschenrechtsorientierten Politik.

Bedenklich für unser gesellschaftliches Miteinander ist die Ablehnung eines Vorschlags der Linken, der die EU und ihre Mitgliedstaaten auffordert, „ihre Bürgerinnen und Bürger sowie ihre Organe vor allen Formen rassistischer Gewalt und Diskriminierung, einschließlich Antisemitismus und Islamfeindlichkeit, zu schützen; […] die strafrechtliche Verfolgung und das Verbot von Organisationen und Symbolen der Solidarität mit dem palästinensischen Volk [verurteilt].“

In diesen Tagen erleben wir auf unseren Straßen eine überwältigende Mobilisierung gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Das macht Mut in krisenhaften Zeiten und braucht Gemeinschaft. Gleichzeitig ist es wichtig, illiberale und martialische Tendenzen in Teilen der Grünen zu thematisieren. Nicht nur bei dem beispiellos politisierten Thema Israel-Palästina, sondern auch in Bezug auf die anhaltende Weigerung, auf ein Ende des Krieges in der Ukraine hinzuarbeiten, sowie den Willen, entgegen des Koalitionsvertrags Kampfflugzeuge an Saudi-Arabien zu liefern. Auch im Innern wird zusehends auf Bekenntniszwang anstelle von gesellschaftlichem Austausch gesetzt.

DiEM25 und MERA25 Deutschland sind europäisch-internationalistisch und stehen für eine friedfertige europäische Außenpolitik.

 

Der Artikel wurde verfasst von Marie-Olivia Badarne, Vorstandsmitglied MERA25 Deutschland.

Hintergrund:

MERA25: Programm zur Europawahl 

DiEM25: Position zu Israel-Palästina

 

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