Artikel von Tomas Vanheste
Correspondent Europa between power and imagination
Aus dem Englischen übersetzt von Rolf Podlewski DiEM25 Deutschland
Photo (c) von Étienne b. photography
Leute sind da, und es sind freundliche Leute. Im legendären Café A La Mort Subite, in dem schon viele Revoluzzer und Künstler Verschwörungen planten, treffe ich vier Anhänger von DiEM25.
Yanis Varoufakis, der ehemalige griechische Finanzminister, startete diese Bewegung mit einem Manifest das die grundlegenden Prinzipien erklärt. Das Motto ist: “Die EU wird entweder demokratisiert oder sie wird auseinanderfallen!”
“Das Manifest ist eine Einladung”, sagt der Portugiese Guilherme Serodio, der nach Brüssel kam um in einem Think-Tank im Bereich der Lebensmittel – Sicherheit zu arbeiten, und der jetzt Mitbegründer eines Start-up für Markttransparenz ist. ‘Die Leute können ihre eigenen Gruppen aufbauen, niemand dirigiert sie von oben nach unten. DiEM25 wächst organisch, wir vernetzen uns und tauschen uns aus. Damit benutzen wir die Schwarmintelligenz die in unserem Netzwerk entsteht.”
“Wir haben keine formale Struktur oder Organisation”, fügt der belgische IT-Unternehmer Joren De Wachter hinzu. “ Man muss kein Mitglied sein, das Einzige um was wir die Leute in den Versammlungen bitten ist das manifest zu unterstützen. Es ist also eine echte Graswurzel – Bewegung. ICh selbst war nie Mitglied einer politischen Partei. Die alte Garde bewegt nichts – die ist verantwortlich für die Austeritätspolitik die soviel Zerstörung angerichtet hat.
“Ich bin halb Grieche, halb Schwede und in Griechenland aufgewachsen, klar bin ich sehr beunruhigt durch das was da geschieht”, sagt Erik Edman. “Ich war in Griechenland in der Zeit der sommerlichen Unruhe, bei occupy the squares. Ich war auch sehr beschäftigt mit all dem was Yanis Varoufakis getan hat. Das Manifest beruht in weiten Teilen auf den Erfahrungen die Yanis mit der EU machen musste. Es fehlt eine Menge an Demokrativerständnis im Kern des europäischen Entscheidungsprozesses.” Erik kam mit der Absicht nach Brüssel die europäischen Institutionen zu reformieren und arbeitet in einer Organisation die sich für soziale Verantwortung in Unternehmen stark macht.
‘DiEM25 zeigt uns, dass es möglich ist Leute aus unterschiedlichen politischen Traditionen und Klassen zusammen zu bringen’ (Zitat)
“Ich bin aus Portugal”, sagt Davide Castro, ein Kollege von Erik. “Meine Familie zog nach England um als ich 12 war, wegen der furchtbaren Krise der portugiesischen Wirtschaft zu dieser Zeit, die ausgelöst worden war durch die Einführung des Euro und die Zulassung von China zur WTO (World Trade Organisation). Ganze Industrien kollabierten, Fabriken wurden geschlossen. Nach meiner Graduierung zog ich nach Brüssel um, um die Leute zu treffen die so wie ich daran glauben, dass es Alternativen gibt die vom derzeitigen Rahmenwerk der EU verschieden sind. (Er gründete ‘The Critique’). Aber das ist nicht alles. DiEM25 zeigt uns, dass es möglich ist Leute aus unterschiedlichen politischen Traditionen und Klassen zusammen zu bringen.
Davide ist die Kontaktperson für DiEM25 in Belgien. Als ich ihm die Frage stellate ob er mir mehr über die Ideen und Pläne für die Bewegung erzählen könne, schlug er mir vor wir könnten uns in einer kleinen Gruppe treffen. Und jetzt sind wir hier, im “A La Mort Subite”, alles Männer. Nette, sozial engagierte, weiße, gut ausgebildete junge Männer. Sie sagen mir “wir wollen facettenreicher warden, und DiEM25 ist sicherlich gemischter als diese kleine Gruppe hier, klar sind alle Altersgruppen und sexuellen Orientierungen vertreten. Wir haben vor örtliche Gruppen und Kneipen aufzusuchen und Leute mit jedem nur denkbaren Hintergrund in unsere bestrebungen für ein besseres Europa einbinden.”
Mit diesen Vieren sprechen ich über das, was eine Demokratisierung entsprechend der Vorstellungen von DiEM25 umfassen muss, und was ihre Pläne sind um das dann auch umzusetzen.
Mehr Transparenz in Brüssel
“Das Ziel ist ein demokratisches Europa”, sagt Erik. “wenn wir das vergleichen was wir woollen und was wir zur Zeit haben, könnten wir schon ziemliche Depressionen bekommen. Darum haben wir mehrere Zwischenschritte eingeplant: Kernaufgaben die zur Zeit in den Prozessen der EU die größten Probleme aufwerfen. Schritt 1ist Transparenz. Wenn wir eine gesunde und funktionierende Demokratie haben wollen, müssen wir wissen, wer wow arum welche Entscheidungen trifft. Momentan verschwinden Regieruende und Minister für Stunden hinter verschlossenen Türen und danach erklären sie uns dann auf ihre eigene spezielle Weise was beschlossen wurde. Da gibt es keine Zusammenhänge, keine Aufzeichnungen der Meetings. Wenn wir wiessen woollen ob uns unsere Volksvertreter wirklich vertreten müssen wir die Fakten kennen. In Wirklichkeit ist das eine sehr bescheidene Forderung: wir woollen wissen was unsere Volksvertreter in unserem Namen sagen.”
DiEM25 hat eine Transparenz – Petition gestartet– klicke hier auf die Petition die schon von mehr als 76000 Leuten unterschrieben worden ist – mit Forderungen wie ein öffentliches Verzeichnis aller Treffen zwischen Lobbyisten und den Angestellten der Europäischen Kommission und Live – Übertragungen aller Treffen des European Council, der Eurogroup und den Finanzministern.
“In einer Demokratie musst Du die Möglichkeit haben die Entscheidungsfindung kritisch zu verfolgen”, erklärt Joren.
Wenn dies nicht so ist, ist das nicht legitim. Wenn ein Gesetz in einem nationalen Parlament behandelt wird ist jeder Schritt der Entscheidungsfindung öffentlich.”.
Aber ich spiele den advocatus diaboli und frage: “Trifft sich die niederländische Regierung nicht jeden Freitag hinter verschlossenen Türen? Sollten die Mitgleider einer Regierung nicht die Möglichkeit haben sich vertraulich zu treffen und frei heraus ihre Ideen auszutauschen?”
“Schon wahr, aber wir wollen hören wenn die Ministerversammlung der EU in ihren Meetings Gesetze verabschieden” kontert Joren. “ Wir wissen nicht was sie sagen und was sie beschließen. Ich bin Rechtsanwalt. Ein Beschluss der im Geheimen gefasst wurde hat keine Legitimation. Montesquieu würde sich im Grabe umdrehen bei so einer Art der Entscheidungsfindung.”
Mehr Demokratie
Das große Ziel ist ein demokratisches Europa. Es ist daher notwendig die EU zu zerlegen und etwas besseres aufzubauen, oder sie “einfach” zu reformieren.
“ Wir wollen die EU nicht kaputtmachen, noch nicht”, antwortet Erik. “Wir glauben an das europäische Projekt. Aber wir sind der Meinung, dass die EU alleine das europäische Projekt nicht repräsentiert. Sie nutzt ihr Potential nicht aus. Sie zerlegt sich selbst. Der Brexit ist das erste Symptom einer tiefgreifenden Krankheit. Die Leute fühlen sich nicht mit der EU verbunden. Du kannst keine Sympathie für einen Handelsblock fühlen.” Er spuckt das Wort Handelsblock geradezu aus. “Die EU muss sich demokratisieren und mit den Herzen der Leute verbinden oder sie wird zerfallen.”
Einer der Kernpunkte ist, dass in der jetzigen Struktur Debatten und Wahlen verboten sind (Zitat)
Erkläre doch bitte mal im Detail was Du unter Demokratisierung verstehst?
Guilherme: “Wenn Du etwas aufbaust um den Leuten mehr Teilhabe zu erlauben, must Du sie von Beginn an beteiligen. Wir sagen nicht: das ist Demokratie und hier ist der Weg wie wir sie bekommen. Nein, last uns alle zusammenkommen, nachdenken was Demokratie eigentlich ist und dann bauen wir das auf.”
Joren: “Einer der Kernpunkte ist, dass in der jetzigen Struktur Debatten und Wahlen verboten sind. Nur die Wirtschaftspolitik ist institutionalisert. Das ist verrückt! Wirtschaftspolitik ist das Ergebnis von demokratischer Entscheidung. Die EU wurde bis heute von oben nach unten regiert: Die sagen, “wir sind die Regierungen, die Erleuchteten, und wir gehen hin und sagen Euch was zu tun ist”. Wir hingegen plädieren für ein Von – unten – nach – oben – System des 21. Jahrhunderts.”
Davide: “ Im Jahr 2018 wollen wir eine konstituierende Versammlung abhalten, in der eine Menge Leute aus ganz Europa sich mit Experten treffen können, und bei der eine umfängliche Schwarmintelligenz aufgebaut und nutzbar gemacht werden wird und sich Gedanken macht wie wir aus dieser Situation herauskommen.”
“Europäisierung” der wichtigsten Aufgaben
Das Manifest stellt fest, dass DiEM25 die Politik in fünf zentralen Gebieten europäisieren will:
Staatsschulden, Bankenwesen, unzureichende Investitionen, Migration und Anstieg der Armut. Gleichzeitig stellt es fest, dass die nationalen Selbstbestimmungsrechte berücksichtigt werden sollten. Ist das nicht ein Widerspruch?
Davide: “Kritiker warden sagen, dass die Länder Europas viel zu unterscheidlich sind um eine Einheit daraus zu bilden, aber die mangelhafte Demokratie und Transparenz sind Aufgaben die eine Menge Leute in den Niederlanden, Portugal, Griechenland und England unter einen Hut bringen können. Wir sollten wirklich die echten Ängste und Befürchtungen wahrnehmen die überall in Europa da sind und sie in einer Art und Weise abarbeiten die Grenzen überwindet. DiEM25 ist deshalb einzigartig weil das genau das ist was wir tun. Es ist eine Europäische Bewegung die versucht den Wandel auf dem gesamten Kontinent voran zu bringen.
Joren: “Es gibt keinen Widerspruch zwischen Souveränität auf nationaler Ebene, europäischer Identität und einer Staatsangehörigkeit die Dir erlaubt auch auf dieser Ebene zu tätig zu warden. Wer auf eine Gegensätzlichkeit zwischen diesen beiden pocht der denkt immer noch im Schema des 20. Jahrhunderts. Nein, es ist eine perfekte Koexistenz und gegenseitige Ergänzung zwischen Beidem möglich. Merh Demokratie auf europäischem Level verbessert die Souveränität auf jedem Level.”
“Du kannst leicht behaupten, dass es da keinen Widerspruch gibt. Aber in diesen Zeiten der Euroskepsis nehmen die Leute das anders wahr. Meinungsumfragen zeigen, dass die meisten Bürger wollen, dass die Macht von der EU zurück an die Mitgliedsstaaten verlagert wird.
Davide: “ Wir sprechen über Themen wie das Fehlen von Investitionen, Bankenkrise und Migration. So etwas kann nicht auf nationaler Ebene gelöst werden. Kritiker mögen schon behaupten, dass es utopisch ist eine paneuropäische Bewegung aufzubauen die sich um solche Probleme kümmert, aber es ist genauso utopisch einfach zu sagen das wird schon verschwinden wenn wir alles so lassen wie es ist … wir müssen unbedingt über Alternativen nachdenken.”
Erik: “ Wir sind keine Euroskeptiker wie Farage, aber sicher sind wir Euroskeptiker. Skeptome bedeutet etws zu Ende zu denken. Wir halten die EU für seine wundervolle Idee, als Antwort auf sehr ungute Zeiten entworfen, aber auf die falsche Art verwirklicht.“
“ Die Frage ist: was für eine EU willst Du haben? Eine ohne Reisebeschränkungen oder eine wo Du an der Grenze zwei Stunden Schlange stehen musst?” (Zitat)
Guilherme: “Ich glaube auch nicht, dass es viele Länder gibt in denen die Leute für einen Ausstieg aus der EU stimmen würden, schon gar nicht nach dem Brexit – Referendum. Ich glaube viele Leute würden sagen: Ich fühle mich als Europäer, aber diese EU repräsentiert mich nicht. Und eine ganze Generation von Erasmus – Studenten ist im Kommen.”
Joren: “Nur Journalisten fragen so. Wenn Du die Debatte auf diese Art einengst bist Du Teil des Problems. Die Frage ist unfair: Sie setzt die Nation in Gegensatz zu Europa. Beide sind Teil desselben Prozesses. Wenn Du sagst die Leute sollen auswählen verfälschst Du die Debatte und bist intellektuell nicht ehrlich.Die Frage ist nicht ob Du mehr oder weniger Europa willst, sondern was für ein Europa Du willst. Eins ohne Reisebeschränkungen oder eine wo Du an der Grenze zwei Stunden Schlange stehen must? Ein Europa wo Deine Kinder in einem anderen Land studieren können oder eines wo Du Zoll auf Importe aus Italien zahlen must?”
Erik: “Unser Standpinkt ist dass, wenn die Leute sehen was Europa sein könnte (und dafür müssen wir das Bewusstsein schaffen), dann würde sie dem zustimmen. Europa und seine Staaten warden derzeit dargestellt als kommunizierende Gefäße. Wenn eines mehr Inhalt hat, hat das andere weniger. Das ist völlig falsch, denn die Souveränität wurde schon vor langer Zeit durch die globalisierte Welt beendet. Als Grieche kann ich Dir sagen: Der Staat verlor seine Souveränität schon vor langer Zeit.”
Seid laut!
Wunderschön, so ein Bekenntnis zu Europa, aber ich will wissen wie DiEM25 konkret an der Änderung Europas arbeiten will.
“Wir gehen auf die Barrikaden”, scherzt Erik.
“WIr sind eine politische Bewegung”, sagt Joren. “Wir warden Debatten organisieren, und lassen die Leute sich in Publikationen und Petitionen ausdrücken. Wir gehen hin und machen Lärm in der Öffentlichkeit, stoßen Ideen an, und beeinflussen die Umstände unter denen die Debatte geführt wird.”
“Klage mich nicht an, dass ich vorschnell philosophische Debatten halte ohne politische Lösungen zu haben”, sagt Guilherme. “Genau das ist Yanis Varoufakis auch passiert während der Monate der griechischen Tragödie. Er wollte das System dabattieren, aber ihm wurde gesagt: Du bist zu philosophisch, wir müssen aber in der Praxis leben. Bei unseren Veranstaltungen, machen wir Brainstorm und bauen miteinander. Alles geht ums Miteinander”
“Wir vernetzen Netzwerke”, sagt Davide. “Letzten Sonntag hatten wir die vierte Generalversammlung. Du kannst besser zusammenarbeiten wenn Du die anderen besser kennst. Genz wichtig ist es eine freucnschaftliche Athmosphäre aufzubauen. “
Ich werde ihnen folgen, diesen Freunden.
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