Am 19. Februar 2020 erschoss ein rechtsterroristischer Attentäter in Hanau neun Menschen – ermordet, weil sie in seinem rassistischen Wahn nicht dazugehören sollten. Fünf Jahre später steht fest: Hanau war keine isolierte Tat, sondern Symptom eines Systems, das seit Jahrzehnten strukturellen Hass sät. Ein System, das durch die Spaltung in „wir“ und „die anderen“ bewusst Feindbilder schafft, soziale Sicherheit untergräbt und menschliches Leben ökonomischen Interessen unterordnet. Diese Kontinuität zeigt sich in der blutigen Spur rassistischer Gewalt – von den Brandanschlägen in Solingen (1993) und Rostock-Lichtenhagen (1992) über die NSU-Morde (2000er-Jahre) bis hin zu Hanau. Doch selbst nach diesen zutiefst erschütternden Ereignissen blieben substanzielle Konsequenzen aus: Statt struktureller Aufarbeitung dominierten symbolische Gesten, unverbindliche Lippenbekenntnisse und Reformen, die an den Wurzeln des Problems vorbeigehen.
Neoliberale Verwüstung und die Saat des Hasses
Die neoliberale Maschinerie hat unsere Gesellschaft in einen Wettbewerb verwandelt, in dem Verlierer:innen systematisch aussortiert werden. Sozialabbau, prekäre Jobs, explodierende Mieten – all das schafft ein Klima der Ohnmacht. Wer in dieser gnadenlosen Logik scheitert, wird nicht nur arm, sondern unsichtbar. Und genau hier gedeiht der Hass: Rassismus und Extremismus sind keine „Meinungen“, sie sind das Gift einer entfremdeten Gesellschaft, die Solidarität durch Konkurrenz ersetzt. Während Vermögen und Macht sich in den Händen weniger konzentrieren, hetzen Politiker:innen gegen Geflüchtete, um von ihrer eigenen Verantwortung abzulenken. Die Opfer dieser Hetze? Menschen wie die Gastarbeiter:innen , die man als billige Arbeitskräfte ins Land holte, aber nie als Gleichwertige anerkannte. Damals wie heute bleibt die Botschaft: Ihr dürft schuften, aber nicht dazugehören.
Von Gastarbeitern zu „Gefährdern“ – ein rassistisches Kontinuum
Die Geschichte der Gastarbeiter:innen ist eine Chronik struktureller Erniedrigung. Sie bauten deutsche Fabriken auf, zahlten Steuern – doch Integration war nie vorgesehen. Stattdessen: diskriminierende Gesetze, Alltagsrassismus, die Lüge vom „temporären“ Aufenthalt. Diese Ausgrenzung wirkt fort. Heute heißen die Opfer Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin. Ihre Morde sind das brutale Finale einer Abwertung, die längst strukturelle Realität ist. Wenn heute Parteien über „Obergrenzen“ debattieren oder „Asyltourismus“ skandieren, setzen sie nur die Tradition fort: Menschen in nützlich und bedrohlich einzuteilen. Doch Hanau zeigt: Wer Menschen entmenschlicht, schafft Terroristen.
Die nächste Regierung? Alte Hetze in neuem Gewand
Unter dem Deckmantel der „Migrationssteuerung“ wird die aktuelle Politik weiter Schubladen schaffen – und damit Ausgrenzung zementieren. CDU, AfD und Teile der übrigen bürgerlichen Parteien haben rassistische Narrative salonfähig gemacht: Wer „sichere Herkunftsländer“ definiert, Abschiebelager als Lösung preist oder „Clankriminalität“ als ethnisches Problem framet, betreibt Brandstiftung. Die Kriminalisierung von Migration, von „Messerdelikten“ bis zur Abschiebepolitik – schafft ein Klima, in dem Rassismus legitim erscheint.
Aus der Ohnmacht in die Tat: Unser Weg zu echter Gerechtigkeit
Seit fünf Jahren fordern die Hinterbliebenen der Hanau-Opfer unverändert: eine lückenlose Aufklärung der tödlichen Behördenpannen – vom versperrten Notausgang bis zum versagenden Polizeinotruf –, die konsequente Entwaffnung rechtsextremer Netzwerke in Polizei und Verfassungsschutz, die bereits in Chatgruppen mit rassistischen Inhalten und NSU-2.0-Drohungen sichtbar wurden, sowie eine bundesweit unabhängige Beschwerdestelle gegen institutionellen Rassismus. Diese Forderungen, dokumentiert in Anträgen der Initiative 19. Februar Hanau und durch Gutachten wie das des hessischen Untersuchungsausschusses, sind kein bloßer Appell, sondern eine Anklage gegen staatliches Versagen auf allen Ebenen. Die Forderungen der Hanauer Angehörigen sind kein Wunschzettel, sondern eine Anklage: Sie zeigen, wie der Staat seit Jahrzehnten versagt. Mera 25 übersetzt diese Anklage in konkrete Politik – und macht deutlich: Gerechtigkeit ist keine Utopie, sondern eine Frage des politischen Willens.
Der 19. Februar 2020 zeigte uns, wie tödlich systematischer Hass und strukturelle Diskriminierung sein können – das Ergebnis jahrzehntelanger Spaltung, in der Migrant:innen und Gastarbeiter:innen als „nützlich, aber nicht zugehörig“ bewertet wurden. Angesichts dieser Realität ruft MERA25 zu einem radikalen Umbruch auf: Wahre Gerechtigkeit beginnt mit dem konsequenten Abbau struktureller Benachteiligungen und der uneingeschränkten Garantie von Teilhabe und Mitbestimmung für alle. Dabei geht es nicht nur um die vollständige Gleichstellung der Geschlechter, sondern auch um die Beseitigung rassistischer Strukturen sowie um den entschiedenen Kampf gegen Antisemitismus, antimuslimischen Rassismus und jede Form religiös motivierter Diskriminierung. Gleichzeitig fordert MERA25 die Selbstbestimmung von LGBTQIA+ und setzt sich für Barrierefreiheit und die Inklusion von Menschen mit Behinderungen ein – unterstützt durch die Erweiterung des Gleichbehandlungsgesetzes und die Abschaffung des überholten „Rasse“-Begriffs. Nur wer diese spaltenden Denkweisen überwinden kann, wird den Ruf nach Gerechtigkeit, den Hanau so eindrücklich verkörpert, in eine zukunftsfähige, vielfältige Gesellschaft münden.
Hanau als Weckruf: Jetzt ist die Zeit für echte Gerechtigkeit
Fünf Jahre nach Hanau bleibt die Frage: Wann beginnen wir endlich, die Wurzeln des Terrors zu roden? Solange Löhne nicht zum Leben reichen, Menschen in „Ghettos“ gedrängt werden und Politiker:innen mit Rassismus Stimmen fangen, bleibt das nächste Massaker eine Frage der Zeit. Die Gastarbeiter:innen, die Opfer von Hanau, die heutigen Geflüchteten – sie alle sind Opfer desselben Systems. Ein System, das Menschen verheizt und dann wegschaut, wenn der Mob hetzt. Doch es gibt eine Alternative: Eine Politik, die nicht fragt „Wie viel Mensch darf’s sein?“, sondern bedingungslosen Schutz garantiert. Die nicht „Leitkultur“ predigt, sondern gemeinsam erkämpft, was alle brauchen: Frieden, Solidarität und eine freie Zukunft.
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