Gemeinsame Erklärung: Diskriminierender Ausschluss beim Feministischen Kampftag in Erfurt

Der westliche Feminismus ist ausgrenzend, egozentrisch und selbstgefällig. Er ist heuchlerisch und scheitert, die sich überschneidenden Formen der Unterdrückung von marginalisierten Frauen anzusprechen

Beim Feministischen Kampftag am 8. März in Erfurt klopften sich westliche Feminist*innen selbst auf die Schulter für ihre Haltung gegen Sexismus, Faschismus, Rassismus und Rechtsextremismus. Doch inmitten dieses Selbstlobs versuchten sie schamlos, die Stimmen von Student*innen – die meisten von ihnen POC (People of Colour) – zum Schweigen zu bringen, die auf das Leiden der Frauen in Gaza aufmerksam machen wollten. Ihr engstirniger Fokus, nur die Notlage privilegierter weißer Frauen hervorzuheben und gleichzeitig die Stimmen marginalisierter und unterdrückter Gruppen zum Schweigen zu bringen, offenbart einen erschreckenden Mangel an Konsequenz und echtem Engagement für Gleichberechtigung.

Unser unabhängiges Treffen von Student*innen wurde von Ordner*innen des “Feministischen Kampftagbündnis Erfurt” überwacht, sobald wir ankamen. Wir schlossen uns dem Protest friedlich als Einzelpersonen an, um unsere feministischen Kämpfe zu vereinen und wollten uns mit weiteren Feminist*innen zusammenschließen, um die Stimmen palästinensischer Frauen zu erheben. Wir brachten keine Nationalflaggen mit und respektierten damit vollständig die „No-Flag“-Politik. Uns wurde klar, dass wir Repression ausgesetzt waren, als wir keine Keffiyehs tragen durften, die in Deutschland legal sind. Außerdem wurden wir, sobald die Reden der Demonstration begannen, von den Ordner*innen aufgefordert, unsere Schilder herunterzunehmen, „weil sie einen Bezug zu Gaza haben“. Mit unseren Schildern wollten wir bewusst nur auf das Leiden der palästinensischen Frauen hinweisen, die nun schon den fünften Monat unter kollektiver Bestrafung, erzwungenem Hunger und ständiger Bombardierung ohne Zugang zu medizinischer Versorgung leben. Alle unsere Schilder, die sich auf den Gazastreifen bezogen, wurden verboten, einschließlich:

  • Live aus Gaza: Kaiserschnitte ohne Anästhesie
  • 30.000 Tote – 70% Frauen + Kinder
  • 300% mehr Fehlgeburten
  • Keine Menstruationshygiene für 5 Monate

Darüber hinaus war ihr erschreckendes Maß an Unwissenheit nicht nur peinlich, sondern auch zutiefst beunruhigend. Wir wurden in die unangenehme Lage versetzt, die Organisator*innen, insbesondere die mit unserer Überwachung beauftragten Ordner*innen, über die inhärent feministische Natur des Leidens der palästinensischen Frauen aufklären zu müssen. Sie warfen uns vor, dass unser Anliegen nicht mit der Agenda der Organisator*innen übereinstimmte, „die Vielfalt feministischer Perspektiven und Forderungen abzubilden und [ihre] Kritik am Patriarchat in den Fokus zu rücken“. Ihr Verhalten deutete jedoch auf eine beunruhigende Voreingenommenheit hin: Sie schienen bereit zu sein, das Leiden internationaler Frauen nur dann anzuerkennen, wenn es von westlich missbilligten Staaten ausging – insbesondere von Arabischen oder Muslimischen. Diese Voreingenommenheit wurde in ihren suggestiven Bemerkungen deutlich, wie z. B. der Frage, warum wir nicht die Probleme von „iranischen Frauen“, „afghanischen Frauen“ oder „ukrainischen Frauen“ hervorheben – was impliziert, dass dies in den Augen westlicher Feminist*innen die Gründe sind, die Unterstützung verdienen. So kamen sie zu dem Schluss, dass das Leiden der palästinensischen Frauen und Kinder in ihrem „intersektionellen feministischen Protest“ nicht erwähnt werden kann. Ihre Vielfalt schließt offenbar Frauen aus, die unter den westlichen patriarchalischen Machtstrukturen der militarisierten Gewalt leiden, die mit US-amerikanischen und deutschen Waffen in Gaza Frauen tötet.

Im Wesentlichen beschränkten sich die einzigen Rechtfertigungen der Organisator*innen für unseren Ausschluss vom Protest auf „Alle Leben zählen“ und „Whataboutism“. Seit wann müssen wir uns auch auf alle anderen internationalen Konflikte beziehen, wenn wir über einen sprechen? Können wir nicht über eine Sache auf einmal sprechen? Wenn die Organisator*innen nicht einmal die bloße Darstellung von Fakten tolerieren können, dann ist die Art des Feminismus, den sie vertreten, nichts anderes als ein imperialistischer weißer Feminismus.

Was diese Feminist*innen bequemerweise übersehen, sind die harten Realitäten: Die primären patriarchalischen Strukturen, die für den Tod und die Unterdrückung von Frauen in der SWANA Region (Südwestasien und Nordafrika) in den letzten zwei Jahrzehnten verantwortlich sind, sind militarisierte Systeme, die ihnen ihr Grundrecht auf Existenz verweigern.

Darüber hinaus ist der Egozentrismus und die Deindividuation (Gefühl der verminderten persönlichen Verantwortung), die deutsche Feminist*innen kennzeichnet, in Bezug auf die Frage „Was hat das mit uns in Deutschland zu tun?“ wirklich bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass unsere Regierung der zweitgrößte Waffenlieferant an Israel ist und diese Waffen derzeit dazu verwendet werden, palästinensische Frauen und ihre Kinder zu töten, und möglicherweise dazu verwendet werden, schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen zu begehen.

Uns wurde gesagt, dass wir nicht nur über palästinensische Frauen sprechen können, da dies eine „einseitige Sichtweise des Konflikts“ darstellen würde. Wir sollten auch auf das Leid der palästinensischen und israelischen Frauen, verursacht durch die Terrororganisation Hamas, hinweisen. Wir sind mit den israelischen Frauen ebenso solidarisch wie mit den palästinensischen Frauen, und die Organisator*innen können sich gerne mit uns zusammen tun, um auf ihr Leid hinzuweisen – anstatt uns der Demonstration zu verweisen. Es ist völlig akzeptabel, die von den IDF (Israelische Verteidungsstreitkräfte) begangenen Verstöße gegen das Völkerrecht gegen Palästinenser*innen, insbesondere gegen Frauen und Kinder, anzuprangern, ohne ausdrücklich auf die Hamas hinzuweisen. Einfach ausgedrückt: Biden dafür zu kritisieren, dass er Waffen an Israel liefert, die zum Tod von palästinensischen Frauen und Kindern führen, bedeutet nicht, seinen Amtskollegen Trump zu unterstützen.

Eine unserer Genossinnen erlebte nach unserem Ausschluss tiefe mentale Belastung und brach in Tränen aus. Konfrontiert mit der nackten Realität, dass der Feministische Kampftag und der Feminismus in Deutschland nicht bereit sind, das Leiden von Frauen of Color wie ihr anzuerkennen, äußerte sie:

“Sie behaupten, dass sie intersektional sind und dass sie protestieren, um einen inklusiven, sicheren Raum für ALLE zu schaffen, aber sie haben es geschafft, einen sehr unsicheren und exkludierenden Raum für uns zu schaffen. Nachdem ich mit den sogenannten “feministischen Organisator*innen” argumentiert hatte, fühlte ich mich zum Schweigen gebracht, ausgeschlossen und diskriminiert. Es war mir klar, dass Frauen wie ich anscheinend nicht würdig genug sind, zu leben oder repräsentiert zu werden. “Wie kommt es, dass die Leute, die angeblich gegen Rassismus sind, mit ihrem selektiven Aktivismus aktiv rassistisch sind?”

Überraschenderweise war die Polizei verständnisvoller als diese Feminist*innen und bestätigte unser Grundrecht auf spontane Versammlungsfreiheit mit der Auflage, einen geringen Abstand zu der Gruppe einzuhalten und dem Protestzug hinter dem letzten Polizeiauto zu folgen. Es ist ein Schlag ins Gesicht für den deutschen Feminismus, dass wir uns als PoC – darunter eine jüdische Peron – durch das Eingreifen der Polizei sicherer fühlten als durch vermeintliche Mitstreiter*innen, nachdem wir Repression durch eben diese erfahren haben – deren Ziel darin zu bestehen schien, uns einzuschüchtern und zu kontrollieren. Ihr Vorgehen war nicht nur diskriminierend, sondern im Grunde auch rassistisch, da sie sich weigerten, auf Englisch zu sprechen und weiterhin auf Deutsch argumentierten. Wir widerstanden der Repression und folgten dem Protestzug entlang der gesamten Demoroute, obwohl wir uns wie Ausgestoßene fühlten und in einem mehrheitlich weißen, deutschen Protestzug und einer ebenso weißen Stadt auffielen. Wir danken auch allen, die den großen Protestzug verlassen haben, um sich nach diesem Vorfall mit uns zu vereinen.

Viele der Organisator*innen des Bündnisses bekennen sich stolz zur Initiative „Weltoffenes Thüringen“, einem Symbol der Solidarität gegen Rechtsextremismus in Thüringen. Nach diesem Vorfall betrachten wir diese Zugehörigkeiten jedoch als leere Phrase ohne echtes Engagement. Wahre Offenheit in Thüringen kann nicht allein daran gemessen werden, unter solchen Etiketten zu stehen oder „Inklusions- und Diversitäts“-Anstellungsrichtlinien zu haben; sie muss sich darauf erstrecken, diverse Stimmen in politische Arenen aufzunehmen und sich auf sinnvolle Weise mit vielfältigen und intersektionalen Perspektiven auseinanderzusetzen. Wie viele derjenigen, die uns vom Protest ausschlossen, können behaupten, in Konfliktgebieten gelebt zu haben? Unter uns fast alle. Doch trotz unserer Erfahrungen aus erster Hand und akademischer Kenntnisse – viele von uns studieren genau diese Themen – werden unsere Stimmen zum Schweigen gebracht und zensiert. Es ist ein krasser Verrat an den Prinzipien, die das Bündnis zu verteidigen vorgibt.

An die Organisator*innen dieses feministischen Protests, die sich als rassistische Spalter*innen erwiesen haben, weil sie uns rausgeworfen haben, appellieren wir, sich die unschuldigen Gesichter eurer Kinder genau anzuschauen. Fragt euch, wie ihr die Augen vor dem quälenden Schmerz der Mütter in Gaza verschließen könnt. Mütter, die den Verlust von 12.300 unschuldigen Kindern miterlebt haben, von denen mehr als tausend verstümmelt wurden und zahllose andere an Unterernährung, Dehydrierung und erzwungenem Hungertod starben, es sind nämlich bereits 18 Kinder verhungert. Könnt ihr die schiere Hilflosigkeit der palästinensischen Mütter nachvollziehen, die darum kämpfen, Zugang zu medizinischer Grundversorgung für ihre leidenden Kinder zu erhalten? Was werdet ihr euren eigenen Kindern sagen, wenn sie erwachsen sind und euch fragen, was ihr getan habt, als die Kinder in Gaza massenhaft getötet wurden?

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