Griechenland bekräftigt 289 Milliarden Euro Reparationsansprüche

Vor 80 Jahren hat die deutsche Wehrmacht Griechenland überfallen. Kurz vor diesem Jahrestag am 6. April hat die Regierung in Athen ihre Forderung nach Reparationszahlungen für die verursachten Kriegsschäden bekräftigt.

Für die Bundesregierung hingegen ist das Reparationsthema mit dem sogenannten „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ über die außenpolitischen Folgen der deutschen Einheit von 1990 rechtlich und politisch abgeschlossen. Die Bundesregierung bestreitet, ebenso wie im Falle Polens, griechische Reparationsansprüche. Spätestens mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 seien die Reparationspflichten abschließend geklärt. In diesem Vertrag zwischen Bundesrepublik, DDR und den vier ehemaligen Besatzungsmächten USA, Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien sind Reparationen allerdings nicht ausdrücklich erwähnt. Außerdem war Griechenland – wie auch andere angegriffene und besetzte Staaten – an den Verhandlungen gar nicht beteiligt.

Die Beziehungen zwischen Berlin und Athen sind beim Thema Zweiter Weltkrieg noch immer belastet – zumindest sieht man das so auf der griechischen Seite. Seit dem Regierungswechsel im Januar 2015 in Griechenland hatte die linke Regierung des damaligen Ministerpräsident Alexis Tsipras immer wieder darauf hingewiesen, dass die deutsche Schuld aus dem Zweiten Weltkrieg noch nicht beglichen sei. Griechenland habe Ansprüche auf Reparationszahlungen. Der damalige Vize-Finanzminister Dimitris Mardas hatte sogar eine Summe von 278,7 Milliarden Euro genannt.

Förderung deutsch-griechischer Beziehungen

Und auch sechs Jahre später sieht es die nunmehr konservative Regierung unter Kyriakos Mitsotakis ebenso: Kurz vor dem Jahrestag am Dienstag erklärte das Außenministerium, die Frage der Entschädigung sei aus griechischer Sicht weiterhin offen. „Diese Forderungen sind gültig und aktiv und sie werden mit jedem Mittel geltend gemacht“, sagte Ministeriumssprecher Alexandros Papaioannou der Nachrichtenagentur dpa. „Verhandlungen würden sehr positiv zur weiteren Förderung der griechisch-deutschen Beziehungen beitragen.“ Die Bundesregierung betrachtet die Forderung jedoch als unberechtigt, will aber mittels Erinnerungs- und Bildungsprojekten die Versöhnung mit Griechenland weiter vorantreiben.

In den jetzigen Meldungen ist von 289 Milliarden Euro Entschädigungsforderung die Rede. Dieser Betrag setzt sich aus Wiedergutmachung von Kriegsschäden und Kriegsverbrechen, für die Entschädigung von NS-Opfern und für einen aufgezwungenen Besatzungskredit zusammen. Der Besatzungskredit war eine Zwangsanleihe, die das besetzte Griechenland zwischen 1942 und 44 unter Druck an Nazi-Deutschland gezahlt hatte. Während der Besatzung wurde Griechenland gezwungen, seine Devisenreserven in Form dieser Zwangsanleihe an das Deutsche Reich abzugeben. Die Nazis nutzten das Geld unter anderem, um Rommels Nordafrika-Feldzug zu finanzieren. Deutschland hat das Geld bis heute nicht zurückgezahlt. Dabei geht es um den Betrag von 476 Millionen Reichsmark. Schätzungen zufolge sollen das heute etwa acht bis elf Milliarden Euro (inklusive Zinsen) sein. Zum anderen geht es um die Forderungen von Überlebenden und Nachkommen der NS-Opfer, d.h. griechischer Bürger*innen gegen Deutschland. Griechenland weicht bis heute nicht von den geforderten Reparationszahlungen ab. Und tatsächlich hat das Land mit Ausnahme einer 1960 vereinbarten Entschädigung von insgesamt 115 Millionen Mark für bestimmte Opfergruppen nie einen finanziellen Ausgleich erhalten.

Wie berechtigt sind die Forderungen?

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat in einem Urteil 2003 am Rande die Auffassung vertreten, dass der Zwei-plus-Vier-Vertrag die Reparationsfrage abschließend regelt. Das Urteil erwähnt aber auch, dass Griechenland nicht Vertragspartei war. Die Ansicht der Bundesregierung, dass die Reparationsfrage Griechenlands durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag an sich geklärt sei, ist juristisch offenbar also zumindest nicht so eindeutig, wie es seitens der Bundesrepublik dargestellt wird. So sieht es der ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam nach einem Bericht der Tagesschau bereits im April 2019.

Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags folgt in einigen Punkten der Sicht der Bundesregierung nicht eindeutig. In einem 2019 veröffentlichten Gutachten heißt es, anders als etwa Polen, das gegenüber Deutschland ebenfalls Forderungen geltend macht, habe Griechenland „nie eine ausdrückliche Verzichtserklärung abgegeben. Auch dass Griechenland kein Vertragspartner des vielzitierten Zwei-plus-Vier-Vertrages war und demzufolge diesem nie zugestimmt hat, wird in dem Gutachten erwähnt. In Bezug auf Griechenland sei demnach die Argumentation der Bundesregierung völkerrechtlich vertretbar, aber keinesfalls zwingend.

Keine Gedenkveranstaltungen für deutsche Kriegsverbrechen

In der griechischen Presse spielt die Forderung Griechenlands aktuell eine eher untergeordnete Rolle, anders als in der akuten Phase der Finanzkrise. Dennoch steht auch heute für viele Griechen fest, dass die in Griechenland verübten Verbrechen der Wehrmacht in der deutschen Kriegsaufarbeitung kaum Beachtung finden oder gefunden haben, möglicherweise sogar kaum bekannt sind. Die Tatsache, dass am Jahrestag des Überfalls keine größeren Gedenkveranstaltungen in der Bundesrepublik geplant sind, unterstreicht diese Wahrnehmung.

Text: Vorstand des deutschen Wahlflügels von DiEM25

Titelbild: „Deutsche Soldaten beim Aufziehen der Hakenkreuz-Flagge auf der Akropolis“ — Bundesarchiv (CC-BY-SA)

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