Wann und wie wird der Krieg in der Ukraine enden?

Das ist die Frage, die den ganzen Planeten beunruhigt. Durch die ruhige, geeinte und kontrollierte Reaktion des Westens scheint es so, als hätte die NATO einen Plan. Es eröffnen sich zwei Perspektiven: mit oder ohne Wladimir Putin.

Nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 hat die NATO die russische Bedrohung ernst genommen. Wie der Untergeneralsekretär der NATO kürzlich zugab, hatte das Bündnis die Reaktion der Ukraine lange vor dem Einmarsch im Februar 2022 vorbereitet. Tatsächlich verläuft die russische Militäraktion nicht in allen Aspekten nach Plan, was auf die schlechte Ausbildung, die logistischen Schwierigkeiten und vor allem die schlechte Informationsbeschaffung zurückzuführen ist.

Man kann sagen, dass der Einmarsch in die Ukraine von der NATO viel besser vorbereitet wurde als von Russland. Die Unfähigkeit, die ukrainische Reaktion vorherzusehen, und die mangelnde Vorbereitung auf Vergeltungsmaßnahmen haben Moskau in eine demütigende und peinliche Situation gebracht, aus der es keinen vernünftigen Ausweg gibt.

In diesem Zusammenhang werfen die akribische Vorbereitung und die heimliche Untergrabung der politischen Pläne Putins ein großes Fragezeichen auf. War es Zynismus, mit dem die NATO gehandelt hat, da eine gewaltsame militärische Reaktion Putins mit dem Rücken zur Wand vorhersehbar war?

Viele politische und vor allem militärische Analyst:innen, die mit der russischen Kriegsmaschinerie vertraut sind, gehen übereinstimmend davon aus, dass Putin nicht aufhören wird, bis er seine Ziele erreicht hat.

Dazu gehören eine äußerst brutale militärische Intervention, Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung und eine noch nie dagewesene materielle Zerstörung.

Die Kluft, die sich zwischen den beiden als „Brüdervölker“ angesehenen Nationen aufgetan hat, wird sich erst in Dutzenden oder vielleicht sogar Hunderten von Jahren schließen können.

Offensichtlich haben die anderen Staaten, die Russland im Rahmen seiner Eurasischen Wirtschaftsunion anvisiert, inzwischen die Methoden zur Kenntnis genommen, mit denen Moskau diese Projekte umsetzen will, und werden verzweifelt den Schutz des Westens suchen. Der daraus resultierende Effekt ist also das genaue Gegenteil von dem, was Putin geplant hatte.

Wenn diese Projekte erst einmal begraben sind, stellt sich die Frage, worin der Sieg Putins bestehen wird. Es scheint klar zu sein, dass er nicht in der Lage sein wird, seiner eigenen Bevölkerung gegenüberzutreten und den Sieg über den Nazismus zu erklären. Es braucht greifbare Ergebnisse, viel konkreter, um die enormen Verluste an Menschen und Material, aber auch die Jahre der Entbehrung, die folgen werden, zu rechtfertigen. Sein Minimalprojekt scheint nun „Noworossija“ zu sein.

Für eine Eroberung und Annexion der Süd- und Ostukraine sind jedoch eine Neuausrichtung des militärischen Vorgehens und eine weitaus größere Mobilisierung der Kräfte erforderlich. Nach dem Vorbild von Mariupol wird wahrscheinlich das gesamte Gebiet in Schutt und Asche gelegt und dann von einer viel größeren Streitmacht besetzt. Um die nächste Stufe der Mobilisierung und militärischen Aktion zu erreichen, ist jedoch eine Rechtfertigung für die russische Bevölkerung erforderlich, und die Befürchtungen der NATO-Beamt:innen gehen dahin, dass dies durch die Simulation oder Provokation eines Angriffs mit unkonventionellen Waffen auf Russland geschehen wird.

Die Neutralität der Ukraine, die durch den Verzicht auf das ererbte Atomwaffenarsenal nach der Auflösung der UdSSR geprägt war, wurde ständig aus beiden Richtungen angegriffen. Natürlich wäre dies die ideale Lösung sowohl für den ukrainischen Staat (in seinem ethnischen Kontext) als auch für ein nach Stabilität strebendes Europa gewesen.

Aber diese Chance wurde vertan, und die heutige Realität scheint nicht in diese Richtung zu führen: Putin kann die in der Ukraine eingeleitete territoriale Expansion nicht stoppen, und der Westen kann – etwas heuchlerisch – diese neue Ordnung nicht akzeptieren, in der sich Militärmächte Teile von Gebieten kleinerer Länder einfach aneignen können, nur weil sie die Macht dazu haben.

Was die Wahrscheinlichkeit anbelangt, dass Putin Verhandlungen zur Beendigung des Konflikts durch Verzicht auf territoriale Ansprüche oder Einfrieren des Konflikts akzeptiert, so muss der interne russische Kontext berücksichtigt werden, der durch die strategischen Entscheidungen der letzten Jahre entstanden ist.

Wenn wir von westlichen Politiker:innen Wahlslogans wie „Make America Great Again“ hören, interessieren sich sowohl die Medien als auch die Bürger:innen kaum dafür, weil sie das für hohle Phrasen halten.. Aber wenn wir mit einer Aussage wie „Wir werden Russland zu einer großen Weltmacht machen“ von jemandem mit Putins Ruf konfrontiert werden, müssen wir verstehen, dass wir es mit einer sehr ernsthaften Ambition zu tun haben, die auf einer offiziellen wirtschaftlichen und militärischen Strategie beruht, die ein ganzes Land und eine Nation in Bewegung gesetzt hat, die bereit ist, diese historische Rolle anzunehmen.

Eine Eskalation des Konflikts in anderen Teilen Europas oder der Welt ist unwahrscheinlich. Russland hat 70 bis 80 Prozent seiner aktiven Streitkräfte in der Ukraine im Einsatz und etwa die Hälfte der Raketen verbraucht, über die es zu Beginn des Krieges verfügte. Und das, während die NATO nicht eine einzige Kugel aus ihrem eigenen Arsenal abgefeuert hat. Natürlich kann es zu Herausforderungen kommen, die neue interne Mobilisierungen in Russland rechtfertigen, aber das war’s dann auch schon.

Auch das Risiko eines nuklearen Angriffs scheint gering. Nach einem anfänglichen Nervenzusammenbruch würden sich die Russen angesichts der harten Realität vor Ort und der Lage, in der sie sich befinden, wahrscheinlich eher zurückziehen, als mit Atomsprengköpfen zu zündeln.

Eine tiefgreifende Lösung der militärischen und wirtschaftlichen Krise kann nicht erreicht werden, solange Putin in Russland an der Macht ist. Die Aufgabe abwegiger expansionistischer Projekte kann nur durch eine Ablösung der russischen Führung erfolgen. Die unmissverständliche Haltung des Westens gegenüber Putin lässt keinen Spielraum für ein Entgegenkommen. Deshalb hängen die Zahl der Opfer und das Ausmaß der Zerstörung in der Ukraine sowie das Leid und die Entbehrungen, die den gesamten Planeten betreffen werden, von der Geschwindigkeit ab, mit der Putin von den russischen Eliten abgelöst werden wird.

Wir als Demokrat:innen haben die Möglichkeit, über die Machtspiele und geopolitischen Interessen hinauszublicken und Freiheit, Souveränität sowie den Willen der Bürger:innen in den Vordergrund zu stellen. Wenn die ukrainische Bevölkerung im gegenwärtigen historischen und politischen Kontext beschlossen hat, ihre Freiheit, ihr Schicksal selbst zu wählen, zu verteidigen, und wenn das Schicksal, das sie aufbauen will, im Moment darin besteht, sich dem Westen und der NATO anzuschließen, dann können wir nichts anderes tun, als dies zur Kenntnis zu nehmen und es letztendlich zu unterstützen.

Unsere Ziele der Demokratisierung, der Entmilitarisierung und des Friedens müssen mit einer pragmatischen Herangehensweise an die aktuelle internationale Situation einhergehen. Das Bedürfnis nach Sicherheit in der Welt wird erst dann verschwinden, wenn auch der letzte Diktator und die letzte undemokratische militärische Supermacht verschwinden.

Der Drang nach militärischem Schutz und Sicherheitsgarantien wird in der kommenden Zeit auf der Prioritätenliste stehen, insbesondere für kleine Länder und vor allem für solche, die sich in der Nähe von Mächten mit Expansionsbestrebungen befinden. Die Akzeptanz dieser Realität sollte demokratische Prozesse und die Vereinigung der Bevölkerungen auf der ganzen Welt unter derselben Flagge, der der Freiheit und der Zusammenarbeit zwischen den Menschen, nicht behindern, unabhängig davon, aus welchem politischen und militärischen Bereich der Welt sie kommen.

Die hier zum Ausdruck gebrachten Ansichten spiegeln die Meinung des Verfassers wider, nicht notwendigerweise die von DiEM25 insgesamt.

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