Was die Absage von Francesca Albanese an der FU über Deutschland aussagt

Aktuell sehen wir auf den Straßen große Proteste gegen rechts, von Menschen, die sich um Menschenrechte und Freiheitsrechte sorgen. Sie haben Angst vor der AfD (manche auch CDU), deren Politik Massenabschiebungen und Autoritarismus bedeuten wird. Sie fürchten sich vor der Aushöhlung der Demokratie, sollte es zu einer Regierung mit AfD-Beteiligung kommen. Sie fürchten sich um ihre eigenen Freiheitsrechte, ihre eigenen Menschenrechte und die von migrantischen oder anderen marginalisierten Gruppen. Sie rufen dazu auf, die SPD, die Grünen oder die Linke zu wählen und fordern auf, die “Brandmauer” aufrechtzuerhalten. Die Brandmauer heißt im wesentlichen, keine Abstimmungen mit den Stimmen der AfD zu gewinnen. Soweit, so gut, könnte man denken. Natürlich sorge ich mich auch um die Zunahme der AfD. Und natürlich fürchtet mich, was passieren könnte, sollte die AfD in eine Regierung kommen.

Der Punkt ist nur, dass der Autoritarismus längst da ist.

Und das ist die zentrale Schwäche, die diese Proteste haben: Sie verkennen völlig, in welchem Stadium sich Deutschland befindet. Die Aushöhlung der Demokratie, die Autoritarisierung der Gesellschaft finden bereits statt, seit mindestens 1,5 Jahren. Und es gibt dafür einen Grund.

Palästina und die fehlende Haltung von Menschenrechtsorganisationen und ähnlichen Organisationen

Im Deckmantel der Bekämpfung des Antisemitismus oder des Terrorismus, die eigentlich die Bekämpfung der Palästina-Solidarität in Deutschland ist, wurden in den letzten 1.5 Jahren zahlreiche Veranstaltungen verboten. Die Veranstaltungen wurden in Kleinstädten ebenso verboten wie in Berlin. Es handelt sich um Vorlesungen an Universitäten, Diskussionsveranstaltungen oder künstlerische Veranstaltungen. Es wurden Förderungsgelder gekürzt und Reisesperren verhangen. Bei einem Kongress stürmte die Polizei den Raum und drehte den Strom ab. In einem besonders schockierenden Fall, gab es eine konzentrierte Aktion einer berühmten Zionistin, sodass eine Ausstellung mit Kinderzeichnungen aus Gaza abgesagt wurde. Ich wiederhole: eine Ausstellung mit Kinderzeichnungen wurde abgesagt. Die Person, welche dieeAktion gegen die Ausstellung startete, jubelte danach auf Twitter.

Und natürlich folgte darauf keinerlei Reaktion der Zivilgesellschaft. Ebenso verhielt es sich bei der Berlinale 2024, als ein Israeli und ein Palästinenser in ihrer Rede von ihren Lebensbedingungen sprachen und die Kultursenatorin Claudia Roth klatschte. Da jedoch der Palästinenser, der in der Westbank lebt, das Wort Apartheid benutzte (so wie Amnesty, HRW und Btselem), musste Claudia Roth später klarstellen, sie hätte nur für den Israeli geklatscht. (Kein Scherz!)

Bei vielen der abgesagten Veranstaltungen, die ironischerweise überhäufig oft Jüd:innen trafen (in circa 1/4 der Fälle), gab es keinerlei Reaktion aus der Zivilgesellschaft. Keinerlei Reaktion der Medien und keinerlei Reaktion von Menschenrechtsorganisationen oder Feminist:innen.

Wieso wir alle besorgt sein sollten

Die Absage von kulturellen Veranstaltungen oder Diskussionsveranstaltungen sollten schon beunruhigend genug sein. Die Absage von Universitätsveranstaltungen aufgrund politischen Drucks sind aber wesentlich gefährlicher: Universitäten sind Orte, an denen freier Austausch und Diskussionen stattfinden sollten. Ein Ort, an dem akademische Positionen behandelt und diskutiert werden. Orte der Wissenschaft, die Freiheit genießen sollten. Orte, an denen kontroverse Themen diskutiert werden, EGAL ob diese der aktuellen Politik entsprechen oder gefallen.

Doch genau das findet gerade im Palästina-Kontext kaum noch statt: unliebsame Veranstaltungen; also solche, die der Staatsräson widersprechen, werden regelmäßig aufgrund politischen Drucks abgesagt. Auch das erfährt kaum Widerstand in den Medien, der Opposition oder der Zivilgesellschaft. Es ist völlig normalisiert, dass sich Senator:innen, Minister:innen oder Bürgermeister:innen in das akademische Geschehen einmischen. Es ist völlig normal, dass die Polizei zu Veranstaltungen erscheint, auf Wunsch der Politik. In den seltensten Fällen stellen sich dabei die Unis an die Seite der Studierenden, öfter rufen die Unis selbst die Polizei.

Was ist das, wenn nicht Autoritarismus?

Und das führt mich zurück zum Anfang: dieses Vorgehen findet unter der Ampel-Regierung statt. Einer “sozialdemokratischen” Regierung. Von der Zivilgesellschaft oder Menschenrechtsorganisationen kommt keinerlei Widerstand oder Widerrede. Im Gegenteil, da diese Organisationen selbst die Staatsräson unterstützen, unterstützen sie das Vorgehen des Staates gegen all diejenigen, die die Staatsräson in Frage stellen oder kritisieren. Aber bemerken dabei nicht, dass sie zwar im Moment auf der Seite des Staates und der Politik stehen, sich das aber jederzeit ändern kann. Sie glauben, von den Repressionen ausgenommen zu sein. Vielleicht stimmt das auch, noch.

Unter einer CDU/AfD-Regierung wird staatliche Repression nicht weniger, sondern mehr werden. Die Grundbausteine dafür werden jetzt gelegt: alles, was die Palästina-Bewegung an Repressionen erfährt, die im Übrigen zuvor an der kurdischen Bewegung und der Klima-Bewegung erprobt wurden, lassen sich auf jedes Thema übertragen, das als unliebsam gesehen wird.

Es ist dafür zentral zu verstehen, warum sich Repression stärker gegen linke als rechte Bewegungen richtet. Rechte Bewegungen, ebenso wie rechte Politik, möchten (bis auf die extreme Rechte) den Status-Quo aufrechterhalten. Der Status-Quo, der dem Kapitalismus dient, vereinfacht gesagt: der Wirtschaft. Oder den aktuellen Machtverhältnissen. Da die Politik besonders in Deutschland sehr mit der Wirtschaft verbunden ist, ist das problematisch, was entweder die Wirtschaft oder Machtpositionen in Frage stellt.

Und das ist die zentrale Schwäche der Proteste gegen die AfD und ein Problem von zivilgesellschaftlichen und Menschenrechtsorganisationen. Anstatt das Narrativ des Staates zu hinterfragen, stellten sich diese zu oft an die Seite des Staates. Statt die Bürger:innen zu schützen und zu unterstützen, wurde das staatliche Vorgehen hingenommen. Es traf ja die Richtigen (aus der Perspektive vieler Orgas und dem Staat selbst).

Tatsächlich wurde damit aber die Aushöhlung der Freiheitsrechte, einer immer stärker werdenen Polizei und einer immer größeren Einflussnahme von politischen Akteur:innen in eigentlich geschützte Räume (wie Unis), hingenommen. Einschränkung, Repressionen und Einmischungen, die uns in der Zukunft alle betreffen werden. Es handelt sich um Prozesse, die noch nicht alle treffen. Die aber in der Zukunft auch alle treffen werden, die jetzt geschwiegen haben.

 

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