Vor 10 Jahren hätte ein Verfahren einer Regierung gegen WikiLeaks-Gründer Julian Assange weltweit Schlagzeilen gemacht.
Jetzt, da Julian Assange von einem Gericht in Großbritannien gegen seine Auslieferung an die Vereinigten Staaten kämpft, schweigen dieselben Medien, die einstmals mit WikiLeaks zusammengearbeitet haben, um Fehlverhalten unserer Regierungen ans Licht zu bringen. Sie schweigen über einen Fall mit desaströsen Auswirkungen auf unsere Pressefreiheit und Demokratie.
Lies und finde heraus, wie die Geschichte begann und wie DiEM25 sich dafür einsetzt, die Verfolgung von Julian Assange, WikiLeaks und der freien Presse zu verhindern.
Wie WikiLeaks entstanden ist.
WikiLeaks entstand 2006 aus einem radikalen Willen zur Transparenz. Das Ziel der Organisation war einfach: eine Online-Plattform für Informant*innen und Whistleblower*innen zu schaffen, um geheime Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Ihr Gründer Julian Assange stützte sich beim Aufbau der Organisation auf frühere Erfahrungen im Bereich IT und dem Schutz der Privatsphäre. Zu diesen Erfahrungen gehörte seine Arbeit an frühen Entwicklungen von Verschlüsselungstechnologie sowie der Hilfe für Behörden mit seinen „technischen Fähigkeiten“ einen Minderjährigen-Sex-Ring in seiner Heimat Australien aufzudecken.
Die Kombination von Verschlüsselungstechnologie und dem Aufdecken von Korruption machte WikiLeaks zur perfekten Plattform für Whistleblower*innen. Die konnten nun mit der verschlüsselten „Dropbox“ von WikiLeaks geheime Dokumente verschicken und dabei anonym bleiben.
Zusammenarbeit mit der Presse.
Der erste große Durchbruch von WikiLeaks geschah im April 2010 mit der Veröffentlichung von Dateien der US-Armee, die vom Nachrichtenoffizier Chelsea (damals Bradley) Manning zur Verfügung gestellt wurden. Bei der Veröffentlichung hunderttausender Geheimakten der US-Armee über den Irak-Krieg fand das #collateralmurder Video am meisten Beachtung. Es zeigt US-Soldaten dabei, wie sie 18 Menschen, darunter zwei Reuters-Journalisten, erschießen.
Es folgte die Veröffentlichung von Protokollen des Afghanistan-Krieges (Juli 2010), den Protokollen des Irak-Krieges (Oktober 2010), Cablegate (November 2010) und den Guantànamo-Akten (April 2011) durch WikiLeaks.
Die Cablegate-Dateien waren die größten und aktuellsten Daten dieser Veröffentlichungen. WikiLeaks arbeitete mit westlichen Medienorganisationen – darunter New York Times, Guardian, Der Spiegel, Le Monde und El Pais – zusammen, um eine Viertelmillion diplomatischer US-Depeschen zu publizieren. Diese Depeschen enthüllten die Abhörung der Vereinten Nationen und anderer Regierungsoberhäupter durch die USA, Spannungen zwischen den USA und ihren Verbündeten sowie Korruption rund um den Globus, alles von US-Diplomaten dokumentiert.
Die Enthüllungen der Jahre 2010 bis 2011 von WikiLeaks wurden als treibender Faktor der Proteste des arabischen Frühlings 2011 angeführt, mit denen „die Geheimhaltung öffentlicher Informationen“ beendet und das, was als „das goldene Zeitalter des Whistleblowing“ erschien, eingeleitet wurde.
Auf der Flucht.
Der politische Druck gegen WikiLeaks und Julian Assange wuchs sehr schnell.
Die US-Regierung und verschiedene Finanzinstitutionen verfolgten WikiLeaks an einer Vielzahl von Fronten: Sie legten Spendengelder still, blockierten den Zugang zur WikiLeaks-Website, drohten mit Strafverfolgung und forderten Verbündete auf, Strafverfahren gegen die Organisation einzuleiten. Genauer gesagt, ihren Gründer und Sprecher: Julian Assange.
Konfrontiert mit dem wachsenden Druck auf WikiLeaks floh Assange nach Schweden, wo Informant*innen und Journalist*innen großen rechtlichen Schutz genießen.
Assange war dort jedoch bald Gegenstand von Kontroversen: zwei Frauen beschuldigten den WikiLeaks-Gründer der Belästigung und Vergewaltigung. Die schwedische Staatsanwaltschaft leitete eine Voruntersuchung ein, nachdem Assange sich zur Befragung über die Anschuldigungen gemeldet hatte. Die Vergewaltigungsvorwürfe wurden bald fallen gelassen, und der Haftbefehl gegen Assange wurde weniger als einen Tag nach seiner Ausstellung aufgehoben.
In der Zwischenzeit zog Assange nach London um, da sein Antrag auf eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis von der schwedischen Regierung abgelehnt worden war. Als er Wind von einem Interpol-Haftbefehl gegen ihn bekam, da die Voruntersuchung von der schwedischen Staatsanwaltschaft wieder aufgenommen worden war, stellte sich Assange der britischen Polizei.
Nachdem er zunächst gegen Kaution frei kam, entschied ein britisches Gericht bald darauf seine Auslieferung an Schweden, um weitere Fragen zu den Vorwürfen zu beantworten.
Aus Furcht vor einer geheimen Anklage in Washington, die zu seiner Auslieferung an die Vereinigten Staaten durch die schwedische Regierung führen würde, blieb Assange am 19. Juni 2012 einer Kautionsverhandlung in Großbritannien fern und suchte Zuflucht in der Botschaft von Ecuador in London.
Die Botschaftsjahre (2012 – 2019).
Am 16. August 2012 wurde Assange vom ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa wegen der „politischer Verfolgung und der Aussicht auf einen unfairen Prozess“ in den USA politisches Asyl gewährt.
Assange kündigte sein Asyl auf dem inzwischen berühmten Balkon gegenüber Harrods in London an.
Während seines Aufenthalts in der Botschaft veröffentlichte Assange weiterhin WikiLeaks-Material, darunter die Saudi Cables und die Stratfor Leaks.
Die saudischen Depeschen entlarvten die Scheckbuch-Diplomatie des Königreichs im Nahen Osten, deren Arbeit gegen den Iran und ihre starke Abneigung gegenüber Israel. Unterdessen entblößten die Stratfor Leaks, wie der private US-Geheimdienst „Aktivist*innen überwachte, Zahlungen an den umstrittenen pakistanischen Geheimdienst leistete und Insiderhandel betrieb“.
Am bemerkenswertesten während dieser Zeit war jedoch die Hilfe von WikiLeaks bei der Flucht und der Sicherung des Asyls von Whistleblower Edward Snowden.
In der Zwischenzeit ging das Tauziehen zwischen Assange und schwedischen Staatsanwälten (zusammen mit den USA und Großbritannien) weiter. Das Assange-Rechtsteam bat schwedische Anwälte, den WikiLeaks-Gründer in der Botschaft in London oder per Videolink zu interviewen. Sie lehnten das bis 2015 ab, als Anwälte der schwedischen Regierung Assange dann doch in der ecuadorianischen Botschaft befragten.
Die vorläufige Untersuchung wurde schließlich 2019 nach Jahren des internationalen Drucks eingestellt. Ein UN-Panel hatte Assanges Asyl als „willkürliche Inhaftierung“ bezeichnet und der UN-Vertreter Nils Melzer sprach von „physiologischer Folter„.
Der Wind dreht sich: Donald Trump und Lenín Moreno.
WikiLeaks und Assange gerieten während der US-Wahl 2016 weiter unter Druck.
WikiLeaks wurde vom damaligen Kandidaten Donald Trump in der Hitze des Präsidentschaftswahlkampfes umgarnt, als dieser nach der Veröffentlichung von E-Mails von Hillary Clintons Wahlkampfleiter John Podesta behauptete, er „liebe“ WikiLeaks. In den Mails wurde die „quid pro quo“ Außenpolitik, die Finanzierung der Terrorgruppe „ISIS“ durch US-Verbündete und die Unterstützung von „Rattenfänger-Kandidaten“ wie Donald Trump als idealem Clinton Herausforderer aufgedeckt.
Der US-Geheimdienst behauptet zwar, dass die Podesta-E-Mails von dem mit Russland verknüpften Hacker Guccifer 2.0 an WikiLeaks geleitet wurden, fand jedoch auch keine offensichtlichen Fälschungen an den Inhalten der E-Mails.
Handschellen für Julian Assange.
Die vorgegebene Bewunderung von Trump für WikiLeaks, war nach seinem Einzug ins Weiße Haus schnell vorbei.
Drei Monate nach seinem Amtsantritt erklärte Trumps neu ernannter CIA-Direktor Mike Pompeo WikiLeaks zu einem „feindseligen nichtstaatlichen“ Akteur. Der Geheimdienst arbeitete hinter den Kulissen mit Trump-Geldgeber Sheldon Adelson zusammen, um Treffen, die Assange mit seinen Anwälten in der ecuadorianischen Botschaft hatte, auszuspionieren.
Währenddessen übten demokratische Senatoren in den USA Druck auf den neuen ecuadorianischen Präsidenten Lenín Moreno aus, die Beziehungen zu Assange abzubrechen, weil „WikiLeaks weiterhin weltweit Demokratien untergräbt“.
Schon bald wurde Assange beschuldigt, gegen die Bedingungen seines Asyls verstoßen zu haben, da er Material über Ereignisse in Ecuador veröffentlichte, die katalanische Unabhängigkeitsbewegung von 2017 kommentierte und CIA-Spionagewerkzeuge offenlegte.
Schließlich erlaubte Moreno der britischen Polizei am 11. April 2019 in die Botschaft einzudringen und Assange zu verhaften, und markierte damit „das erste Mal in der Geschichte, dass eine Regierung einer ausländischen Strafverfolgungsbehörde erlaubte, in ihr Hoheitsgebiet einzudringen und einen ihrer Bürger zu verhaften“.
Der Kampf gegen die freie Presse.
Im ursprünglichen US-Verfahren gegen Assange wird der WikiLeaks-Gründer beschuldigt, sich 2010 mit Chelsea Manning „verschworen“ zu haben, um das „Eindringen“ in einen Regierungscomputer zu begehen. Diese Anklage wuchs im Mai 2019 unter Berufung auf das Spionagegesetz, das Assange als Herausgeber von Regierungsdokumenten ins Visier nimmt, auf 18 Anklagepunkte an.
Vor Trump zog die Obama-Regierung in Erwägung, Assange mit dem Spionagegesetz zu belasten – einem auf dem Ersten Weltkrieg basierenden Gesetz, das jetzt öfter angewendet wurde, als jemals in seiner gesamten Historie – ließ aber die Verfolgung wegen Bedenken im Zusammenhang mit dem Ersten Artikel der Verfassung fallen. Konkret: Wenn die Regierung WikiLeaks und Assange wegen der Preisgabe von Geheimnissen strafrechtlich verfolgen würde, müsste sie auch „US-Nachrichtenorganisationen und Journalisten“ wie die New York Times und die Washington Post strafrechtlich verfolgen.
Eine solche Enthüllung sollte Assange trotz des „Kampfes gegen die Presse“ der Trump-Administration rechtlichen Schutz zu geben. Ein Kampf, bei dem der WikiLeaks-Gründer kaum als Opfer erwähnt wird. Es wurde allerdings enthüllt, dass die mit dem Fall betraute Richterin Vanessa Baraitser Verbindungen zu Unternehmen hat, die von WikiLeaks entlarvt wurden.
Die jüngsten Entwicklungen sind für Assange sogar noch beunruhigender: Die Anklageerhebung hat sich in ihrem Umfang ausgeweitet, die US-Staatsanwaltschaft verlässt sich auf Beweise von einem als „psychopathisch“ geltenden FBI-Informanten, der WikiLeaks infiltriert hat, und die Fairness des Prozesses wird bezweifelt, nachdem der WikiLeaks-Gründer „nackt ausgezogen wurde und ihm rechtliche Dokumente abgenommen wurden„.
Wir bei DiEM25 sehen Julians Prozess nicht nur als ein Thema der freien Presse, sondern vor allem als ein Menschenrechtsproblem.
Einen Journalisten wegen Enthüllung von Geheimnissen wegzusperren, definiert Autoritarismus. Die jüngsten Ereignisse haben den zunehmenden Verfall unserer demokratischen Institutionen bewiesen. Die diesjährige COVID-19-Pandemie und dokumentierte Berichte über Polizeigewalt weltweit haben die Missachtung vieler „demokratischer“ Regierungen für das Leben ihrer eigenen Bürger beleuchtet.
Wir müssen Menschen wie Julian Assange jetzt mehr denn je schützen. Whistleblower sorgen für das Funktionieren unserer Demokratien, indem sie aufdecken, was von den Regierungen im Namen der Bürger*innen getan wird.
Als eine Bewegung, die sich der Überzeugung verschrieben hat, dass Transparenz starke Demokratien schafft, stehen wir zu Julian, WikiLeaks und der freien Presse und werden für sie kämpfen.
Unterzeichne die Petition „Liefern Sie Assange nicht aus“ von DiEM25.
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