Fit für die 1%: Das Scheitern des EU-Plans „Fit for 55“

Beginnen wir mit den guten Nachrichten über den „Fit for 55„-Plan der Europäischen Kommission, denn dieser Teil ist kurz: Er weitet die CO2-Bepreisung auf neue Sektoren aus, vor allem auf den Seeverkehr, und er macht einige der Emissionsreduktionsziele des Europäischen Green Deals ein bisschen weniger enttäuschend.

Nun zu den schlechten Nachrichten.

Die Erwartungen sind leider immer schon gering, aber die bemerkenswerte Fähigkeit der Europäischen Kommission, zu enttäuschen, kennt keine Grenzen. Nicht nur, dass die Maßnahmen von „Fit for 55“ einfach nicht ausreichen, um den durchschnittlichen Temperaturanstieg auf 2 Grad Celsius zu begrenzen – ganz zu schweigen von der entscheidenden 1,5-Grad-Grenze -, der Plan zielt auch darauf ab, das zu erreichen, was die EU am liebsten tut: die Bevölkerung für die Sünden der Großkonzerne zahlen zu lassen.

Ein Beispiel dafür ist eine wichtige Änderung des Emissionshandelssystems (ETS), die bedeutet, dass die Emissionen des Verkehrs und der Haushalte nun in das System einbezogen werden. Das heißt, dass alle es im Portmonee spüren werden, wenn die Heizkosten abgerechnet werden oder sie ihr Auto tanken, während die Konzerne in der Landwirtschaft und der Schwerindustrie davon ausgenommen bleiben, ihren Beitrag zu leisten. Einmal mehr wird die Last auf diejenigen fallen, die am wenigsten für die Klimakrise verantwortlich sind. Vom „Fit for 55“ profitieren die 1 % am meisten.

Während sie die Emissionskosten auf die Bürger*innen abwälzen, sorgt die Europäische Kommission dafür, dass ihre Freunde in der fossilen Brennstoffindustrie weiterhin große Gewinne einfahren, während die umweltverschmutzenden Unternehmen mit Hilfe öffentlicher Gelder und Unterstützung von Privatbanken, die seit dem Pariser Abkommen mehr als 2,7 Billionen Dollar in fossile Brennstoffe gesteckt haben, weiter wachsen. Pläne für einen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe oder detaillierte Fahrpläne für Emissionssenkungen nach Sektoren sind nicht zu finden.

Was den Wohnungsbau anbelangt, so unterstützt die Kommission zwar die Renovierung von Gebäuden nach grünen Standards, schweigt sich aber über den wichtigsten Aspekt aus: den Rückkauf leerstehender Flächen und deren erschwingliche und sinnvolle Nutzung. Es mag radikal klingen, aber wir sind der Meinung, dass die Beendigung der Obdachlosigkeit und die Schaffung von nachhaltigem und menschenwürdigem Wohnraum eine bessere Idee ist als die Besteuerung von Menschen, die sich ohnehin schon Sorgen machen, wie sie ihre Miete bezahlen sollen.

Es überrascht nicht, dass die Europäische Kommission auch zum Thema Ungleichheit und der Schaffung von Arbeitsplätzen wenig zu sagen oder anzubieten hat. Ihr Ziel ist es, bis 2030 160.000 Arbeitsplätze im Infrastruktursektor zu schaffen, was lediglich 6,5 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der EU entspricht. Zum Vergleich: Der New Deal von Franklin D. Roosevelt in den USA hat allein zwischen 1933 und 1935 mehr als 20 Millionen Arbeitsplätze geschaffen.

Ein weiteres Manko ist die Solidarität mit dem globalen Süden, wo die Menschen am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Der Kohlenstoffgrenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) wird die Einfuhr von Stahl, Aluminium, Zement, Düngemitteln und Strom mit einem Preis belegen, mit dem erklärten Ziel, Unternehmen daran zu hindern, aus der EU in Länder mit günstigeren Vorschriften abzuwandern. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Versuch der Europäischen Kommission, die großen Industriekonzerne zu schützen, ohne Rücksicht auf die globalen Auswirkungen einer Klimakrise, die von Europa und anderen Industrienationen verursacht wird, aber überall auf der Erde Verwüstung anrichtet.

Die Europäische Kommission hatte zumindest den Anstand, das Wort „neu“ wegzulassen, als sie den Begriff „Green New Deal“ übernahm, ihm jegliche Bedeutung nahm und den Europäischen Green Deal im letzten Jahr vorstellte. Neu ist er in der Tat nicht. Aber grün ist er auch nicht. Was das Wort Deal angeht, so können wir es nur als Hinweis auf die Hinterzimmer-Deals zwischen Brüsseler Berufspolitiker*innen und gut bezahlten Lobbyist*innen verstehen, die diesen desaströsen Plan ins Leben gerufen haben.

Glücklicherweise ist noch Zeit, um uns aus dem Crashkurs herauszuholen, auf den uns die EU gebracht hat. Aus diesem Grund ist der Green New Deal für Europa die größte und dringlichste Kampagne von DiEM25.

Anstelle der vagen Zuweisung von 250 bis 350 Milliarden Euro innerhalb eines Jahrzehnts, die die Europäische Kommission verspricht, schlagen wir konkrete Investitionen in Höhe von 700 Milliarden Euro pro Jahr vor, finanziert durch grüne Anleihen, die von der Europäischen Investitionsbank (EIB) ausgegeben werden, und nicht die Bevölkerung belastet, die bereits unter der Austerität und der Pandemie leidet. Das ist mehr als machbar – unser Überleben und das der nächsten Generationen hängt davon ab. Dieses Geld wird so zur Bewältigung der Klimakrise verwendet, die uns auch über die wirtschaftlichen, sozialen und demokratischen Krisen hinwegbringt, mit denen wir derzeit konfrontiert sind. Wir können damit menschenwürdige Arbeitsplätze, Gesundheitsfürsorge, Wohnraum und Bildung für alle garantieren und dabei intersektionelle, internationale und generationenübergreifende Gerechtigkeit verwirklichen.

Es handelt sich um eine Vereinbarung zwischen Mensch und Natur, nicht zwischen Politiker*innen und Oligarchen.

Überall in Europa wird unsere Stimme mehr denn je gebraucht. Erfahre mehr über den Green New Deal für Europa, organisiere dich, indem du einer lokalen Gruppe beitrittst und hilf dabei, den Kurs unserer Kampagne zu bestimmen.

Die Zukunft ist zum Greifen nah. Lasst uns anpacken, bevor es zu spät ist.

Foto (c) Mike Langridge

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