Unser Fazit aus dem Oslo-Abkommen: Die Einstaatenlösung in Israel-Palästina

Das am 13. September 1993 feierlich unterzeichnete Oslo-Abkommen hat rund 30 Jahre Elend und zunehmende Menschenrechtsverletzungen in Israel-Palästina mit sich gebracht. In den letzten drei Jahrzehnten haben tausende Menschen ihr Leben verloren, der Hass hat zugenommen und die Verzweiflung hat sich vertieft. Wir, Palästinenser und Israelis, möchten Bilanz zu den Geschehnissen ziehen, das Potenzial für Veränderungen einschätzen und das Potenzial für wirksame Maßnahmen unterstreichen, die wir alle ergreifen können. Dabei müssen wir die Grundlagen eines „Friedensprozesses“ in Frage stellen, der von Anfang an zum Scheitern verurteilt war.

Die Oslo-Abkommen sahen eine vorübergehende Regelung für eine begrenzte palästinensische Selbstverwaltung in kleinen Enklaven der besetzten palästinensischen Gebiete vor, und die Lösung der Kernfragen wurde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Der verstorbene Edward Said warnte bereits im Oktober 1993 davor. Er war der Ansicht, dass das Abkommen die Fortsetzung der israelischen Besatzung und Siedlungen erleichtern könnte, und stellte fest: „In dem Dokument gibt es kaum Hinweise darauf, dass Israel seine Gewalt gegen die Palästinenser aufgeben wird.“ Said betonte den kolonialen Aspekt des Abkommens, zog Lehren aus dem Kampf um die Beendigung der Apartheid in Südafrika und bot eine Lösung an, die auf „Gleichheit oder nichts“ basiert.

Die Führer der israelischen Arbeitspartei äußerten sich überraschend ehrlich zum Wesen des Oslo-Prozesses. Shlomo Ben-Ami, Historiker und Außenminister in der Regierung Ehud Baraks, erklärte, dass „die Oslo-Abkommen auf neokolonialistischer Grundlage basieren würden“ und darauf abzielen würden, den Palästinensern in einer „kolonialen Situation“ eine „nahezu vollständige Abhängigkeit von Israel“ aufzuzwingen, die „permanent“ sein sollte. Der israelische Wohnungsbauminister Binyamin Ben-Eliezer erklärte, dass die Arbeitspartei im Westjordanland „im Stillen baut“ und dabei den vollen Schutz von Premierminister Yitzhak Rabin genießen würde.

Diese Mentalität der Böswilligkeit gipfelte im Verhalten des israelischen Premierministers Ehud Barak bei den gescheiterten Verhandlungen im Jahr 2000, indem er sagte, es würde „offenbar keinen Partner für Frieden geben“. Dafür wurde Barak vom verstorbenen Ron Pundak, einem der israelischen Architekten des Oslo-Abkommens abgewatscht. In einer vernichtenden analytischen Bewertung schrieb Pundak: „Die unaufrichtige und unvollständige Umsetzung während der [ersten] Regierung Netanyahus und das Missmanagement der Verhandlungen über den dauerhaften Status unter Barak waren die beiden Haupthindernisse für das Erreichen einer Einigung.“

Der israelische „Abzug“ aus Gaza im Jahr 2005 unter Premierminister Ariel Sharon war ein offensichtlich einseitiger Schritt, der internationalen Druck verhindern sollte und auf Verachtung gegenüber den Palästinensern beruhte. Diese Ansicht wurde von Sharons leitendem Berater Dov Weisglas zusammengefasst, der sagte, dass die palästinensische Eigenstaatlichkeit vom Tisch sein sollte, zumindest „bis die Palästinenser zu Finnen werden“. So ist es nicht verwunderlich, dass – laut B’tselem, der führenden israelischen Menschenrechtsorganisation Israels –  der Plan scheiterte, den Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen, und darüber hinaus eine „vom Menschen verursachte humanitäre Katastrophe“ in Gaza herbeigeführt hat.

In den letzten Jahren hat der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu zusammen mit rechten Verbündeten auf der ganzen Welt versucht, die Israel-Palästina-Frage von der globalen Agenda zu streichen. Die Realität jedoch setzt sich durch und die Krise kann nicht ignoriert werden. Der öffentliche Diskurs erkennt zunehmend die Realität der Einstaatenlösung in Israel-Palästina an und wendet das Apartheid-Paradigma darauf an – so zum Beispiel Amnesty International, Human Rights Watch und B’tselem; letztere Organisation kam zu dem Schluss, dass „vom Jordan bis zum Mittelmeer ein Regime jüdischer Vorherrschaft [existiert]: Das ist Apartheid“.

Apartheid ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) steht unter zunehmendem (und berechtigtem) Druck, Maßnahmen zu ergreifen, um die Täter für schwere Verletzungen der Menschenrechte und des Völkerrechts hier zur Verantwortung zu ziehen.

Diese Diskursänderung stärkt diejenigen, die eine gerechte und nachhaltige Lösung in Israel-Palästina suchen. Anstatt sich wie beim Oslo-Prozess auf Gaza und das Westjordanland zu konzentrieren, unterstützt unsere One-State Foundation einen umfassenden Rahmen, der allen zwischen Jordan und Mittelmeer lebenden Menschen gleiche Rechte in einem gemeinsamen Land gewähren würde. Im Laufe der Jahre wurden zahlreiche detaillierte Pläne für eine demokratische Einstaatenlösung veröffentlicht. Statt neue Ideen bzw. Pläne zu entwickeln, glauben wir, dass es möglich ist, die allgemeine Idee zu legitimieren und alle Kampagnen zu fördern, ohne sich auf einen bestimmten Plan festzulegen.

Jüngsten Daten zufolge befürworten ein Viertel der Israelis und 35% der Palästinenser eine Einstaatenlösung vor Ort. Das ist bemerkenswert und durchaus ermutigend, wenn man bedenkt, dass keine der großen israelischen oder palästinensischen politischen Parteien, einschließlich der meisten Parteien, die palästinensische Bürger Israels vertreten, diese Lösung befürwortet hat. Darüber hinaus ist die Geschichte geheimer Gespräche zwischen israelischen Siedlerführern und Palästinensern in den späten 1990er-Jahren ein Beweis dafür, dass selbst mächtige Hardliner den Dialog suchen, wenn sie spüren, dass die politische Entwicklung nicht mehr günstig für ihre Interessen ist.

Die zunehmende Gewalt, insbesondere im Westjordanland, füllt jedes Vakuum, das diejenigen hinterlassen, die das Handtuch werfen. Wir müssen Maßnahmen ergreifen, um den Bogen der Geschichte in Richtung verfassungsmäßiger Gleichheit für alle in der Region zu lenken. Wir sind fest davon überzeugt, dass eine solche Transformation allen Gemeinschaften zugutekommen wird. Wir alle können viel gewinnen, wenn wir der gegenwärtigen Realität der Besatzung, Unterdrückung, Apartheid und Trauer ein Ende setzen.

Übersetzung: Shelly Steinberg

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