Der Kampf bei Amazon – mehr als nur eine Frage gerechter Entlohnung

Ein Drama in 5 Akten

von Arno Peukes, Hannover.

Ein genauer Blick auf das 1994 in den USA als Onlinebuchversand gegründete Unternehmen AMAZON unterstreicht die Forderung von DiEM25 und MERA25 nach einer Entmachtung der heute herrschenden Oligarchien als wesentlichen Baustein auf dem Weg zu einer demokratischen Gesellschaftsordnung. Denn es geht bei dem mittlerweile als Einzelhändler, Logistiker, Internetplattform, Anbieter von Musik- und Videostreaming, Filmproduktionen und Zeitungsverlagen operierenden Konzern nur auf der offensichtlichen Ebene um die Frage der Entlohnung und der Umsetzung des Rechts auf gute Arbeit für die Beschäftigten des Unternehmens. Die analytisch tiefer gehende Betrachtung des Gesamtgebildes Amazon offenbart hingegen, wie die herrschenden Oligarchien in ihrer Breite im gegenwärtigen System europa- und weltweit ihre Interessen der einseitigen Gewinnmaximierung zu Lasten der Bürger:innen und ihrer Lebensräume durchsetzen. In gegenseitiger Unterstützung und abgesichert durch eine in ihrem Auftrag operierende Politik- und Medienkaste.

Deswegen geht es für uns bei der Auseinandersetzung um das Gesamtsystem AMAZON zum einen um die Unterstützung der Beschäftigten und ihrer gewerkschaftlichen Interessensvertretung ver.di (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft) bei ihrem Kampf für volle Tarifansprüche, zum anderen politisch darüber hinaus um die Umsetzung eines Politiksystems, in dem das Recht auf Teilhabe aller einhergeht mit einer nachhaltigen, umwelt- und steuergerechten Wirtschaftsentwicklung.

Aber Schritt für Schritt…

First: make Amzon pay

Ein erster Blick auf die Zahlen: Weltweit beschäftigt AMAZON nach eigenen Angaben rund 840.000 Menschen, davon mehr als 590.000 im Stammland USA und 115.000 in Europa. In Deutschland werden auf Vollzeitstellen umgerechnet zwischen 13.000 und 20.000 festangestellte Beschäftigte eingesetzt. Dazu kommen in den besonders umsatzstarken Zeiten, wie rund um das Oster- und Weihnachtsgeschäft weitere Tausende befristet angestellte Arbeiterinnen und Arbeiter. Auf den eigenen Internetseiten lassen sich Angaben zum Umsatz des Gesamtkonzerns für 2019 in Höhe von 280,5 Milliarden US-Dollar finden. Für Deutschland wurde für das Jahr laut eigenem Geschäftsbericht ein Gesamtumsatz von 19,9 Milliarden Euro bilanziert.

Auch wenn sich bislang keine bestätigten Zahlen für die Jahre danach finden, kann vermutet werden, dass AMAZON gerade in den letzten beiden Corona-Jahren den Umsatz deutlich steigern konnte. So erzielte im Jahr 2021 das Onlinegeschäft in Deutschland einen Umsatz mit Waren in Höhe von rund 99,1 Milliarden Euro, was im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung des Umsatzes um knapp 19 Prozent bedeutet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Anteil von AMAZON Deutschland am Onlinehandel insgesamt bei 54% liegt.

Ständig neue Rekordumsätze und -gewinne sind für Jeff Bezos noch lange kein Grund, die Beschäftigten, welche diese Entwicklung mit ihrer Arbeit überhaupt erst ermöglichen, tarifgerecht zu bezahlen. Schöne Worte, wie die nach seiner Rückkehr aus dem Weltall, als er sich auf einer Pressekonferenz bei allen Beschäftigten und Kund:innen seines Unternehmens für dieses Erlebnis bedankte, sollen reichen: „Ich möchte auch jedem Amazon-Mitarbeiter und jedem Amazon-Kunden danken, weil ihr das alles bezahlt habt. Also im Ernst, für jeden Amazon-Kunden da draußen und jeden Amazon-Mitarbeiter vielen Dank von ganzem Herzen. Es wird sehr geschätzt“. Schöne Worte ja, Tarifansprüche für die Beschäftigten in Deutschland nein. Mit aller Vehemenz wehren sich Bezos und seine Handlanger hier seit Jahren gegen diese Bestrebungen.

Zur Erinnerung: Im deutschen Grundgesetz ist das Recht der Tarifparteien (Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände) verankert, frei von staatlichen Eingriffen über Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, insbesondere Tarifverträge über Arbeitsentgelt und Arbeitszeit, abzuschließen. Diese sogenannte Tarifautonomie ist eines der bestimmenden Merkmale für das Recht der Beschäftigten einer Branche auf bessere Entlohnung und Arbeitsbedingungen. Insofern liegen tarifvertragliche Regelungen zumeist oberhalb gesetzlicher Bestimmungen (wie z.B. bei den Urlaubstagen und der Arbeitszeitregelungen) oder regeln Bereiche ohne gesetzliche Bestimmung. Mit Blick auf die bestimmenden Tätigkeiten der AMAZON-Beschäftigten müssten für die Beschäftigten in den Lagerstandorten eigentlich die Regelungen des Versandhandels und für die Fahrer:innen in der Auslieferung die des Speditionsgewerbes gelten. Beide Bereiche sind in der Gewerkschaft ver.di organisiert und beide Bereiche haben jeweils eigene Landestarifverträge, die in regelmäßigen Abständen durch die Tarifparteien neu ausgehandelt werden und so den Beschäftigten regelmäßige Einkommenserhöhungen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen bringen.

Beim Blick in die hier genannten Tarifverträge, wird auch deutlich, dass unsere Forderung „make AMAZON pay“ sich nicht nur auf die Frage der Entlohnungshöhe bezieht, sondern die Beschäftigten und ver.di in ihrem Anliegen unterstützt, dass bei AMAZON auch die tariflichen Regelungen zur Eingruppierung der verschiedenen Tätigkeiten, wie auch der unterschiedlichsten Zulagen, Anwendung finden müssen. Diese Gesamtbetrachtung der eigentlich anzuwendenden Tarifregelungen offenbart den Zynismus, wenn das Unternehmen in Reaktion auf die jüngsten Streikaktionen von ver.di verlauten lässt, dass AMAZON die Stundenlöhne in letzter Zeit angehoben hätte und daher gut zahle. Ja, das Unternehmen hat die Stundenlöhne erhöht, eine gerechte Bezahlung entsprechend der für die Branche anzuwendenden Tarifverträge sieht aber anders aus. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Bereiche des Versandhandels und des Speditionsgewerbes insgesamt zu den Branchen mit einem im Vergleich z.B. zu Tätigkeiten in der Stahl- oder Chemieindustrie eher niedrigerem Stundenlohn zählen. Insofern ist die Frage der richtigen Eingruppierung, also der Berücksichtigung der für die Arbeitsleistung abgeforderten Qualifikation oder Belastung für den tarifvertraglich tatsächlich entsprechenden Stundensatz von elementarer Bedeutung. Ebenso die Frage, wie hoch die wöchentliche Arbeitszeit ist, die von Seiten des Arbeitgebers angeordnet wird. Hier geht es also um die Frage, ob nur die gesetzlichen Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes (48 Wochenstunden an 6 Arbeitstagen) gelten oder 37,5 Wochenstunden an 5 Arbeitstagen, wie es der Tarifvertrag für den Versandhandel von ver.di regelt. Denn sollen Beschäftigte vorübergehend länger als die tarifliche Arbeitszeit arbeiten, braucht es zunächst die Zustimmung des Betriebsrates und die zusätzliche Arbeit ist dann unter Zahlung der im Tarifvertrag ausgehandelten Zuschläge zu entlohnen. Dieser Zuschlag variiert je nach Bundesland und danach, ob es sich um Nacht-, Wochenend-, Sonntags- oder Feiertagsarbeit handelt, zwischen 25 und 200%. Gerade in einer Branche mit niedrigeren Stundenentgelten ist dies ein wesentlicher Faktor. Das verschweigen die Vertreter:innen von AMAZON aber immer wieder, wenn sie vor den Kameras mit falschen Tränen von den angeblich so guten Stundenlöhnen faseln. Genauso wie sie verschweigen, dass sie sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, dass die bei ihnen beschäftigten Kolleg:innen durch Tarifbindung des Unternehmens einen automatischen Anspruch auf ausgehandelte Tarifergebnisse erhalten und so aus der Abhängigkeit von Arbeitgebers Gnaden befreit werden.

Und während in bunten Werbefilmen die wunderbare Arbeitswelt von AMAZON angepriesen wird, erpresst das Unternehmen seine Beschäftigten im wahren Leben mit allen Mitteln und ohne moralische Grenzen. Bereits vor einiger Zeit fanden sich Berichte in den öffentlichen Medien zum Einsatz von Überwachungskameras in verschiedenen Lagerstandorten; gerade erst wurde bekannt, dass eingesetzten befristet Beschäftigten mit der Abschiebung gedroht wurde, würden sie sich an Streikaktionen beteiligen.

Schon dieser zunächst auf das Unternehmen allein gerichtete Fokus offenbart die menschenverachtende Systematik mit der Artikel 1 des Grundgesetzes zur täglichen Lachnummer gemacht wird, denn die Würde des AMAZON-Beschäftigten wird in jeder Schicht immer wieder angetastet, und jeder Versuch der betrieblichen und gewerkschaftlichen Interessensvertretung dies zu ändern wird massiv bekämpft. Dass dies aber im herrschenden Herrschaftssystem nicht alleine auf AMAZON begrenzt bleibt, sondern zum Anreiz für die Unternehmen in diesem Wirtschaftssystem insgesamt wird, soll in einem weiteren Schritt beleuchtet werden.

Secondly: Stop Amazon’s attack on collective bargaining

Wie in vielen Branchen im Bereich der Dienstleistungen werden Produktivitätssteigerungen im Online- und Versandhandel nur in seltenen Fällen durch technische Erneuerungen erzielt. Der aus Sicht der Konzerne entscheidende Faktor im Wettbewerb untereinander sind daher die Personalkosten. Der von DiEM25 und MERA25 unterstützte Kampf der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di für den Tarifeintritts AMAZONs und das damit verbundene Recht der dortigen Beschäftigten auf alle regelmäßig neu ausgehandelten Tarifergebnisse hat aber nicht nur hier Bedeutung. Denn nicht erst im sich weiter zuspitzenden Wettbewerb der Konzerne versuchen diese ihre Marktanteile und Gewinne einseitig zu Lasten der Beschäftigten zu erhöhen. Um es noch einmal zu unterstreichen: überall dort, wo ein Unternehmen nicht in die Tarifbindung einsteigt oder diese durch Tarifflucht wieder verlässt, gelten für die Beschäftigten nur dann die gesetzlichen Regelungen, sofern welche durch die Politik verabschiedet wurden. Und dies gilt nicht für Eingruppierung, Zulagen, Zuschläge oder Sonderzulagen, Urlaub, um nur ein paar zu benennen.

AMAZONs bis heute verweigerte Anerkennung der Tarifbindung trifft insoweit die Beschäftigten des eigenen Unternehmens direkt, indirekt aber auch die Beschäftigten der ganzen Branche. Um keinen falschen Eindruck zu erwecken: Tarifflucht zu Lasten der Beschäftigten ist nichts Neues in dieser Branche. Schon vor Jahren hat die Hamburger Hermes Fulfilment GmbH, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft des Versandhändlers Otto Group, 840 Mitarbeiter:innen in Deutschland mit der Begründung entlassen, man wolle die Standorte in Polen und Tschechien ausbauen. Auch hier waren die niedrigeren Personalkosten einer der wesentlichen Entscheidungsfaktoren. Wenn also die auf diesem Marktsegment tätigen Unternehmen künftig Vorbereitungen zur Tarifflucht mit dem Hinweis auf die fehlende Tarifbindung AMAZONS begründen, handelt es sich um Lügentränen. Es unterstreicht aber den Hinweis ver.dis, dass ihr Kampf um die Tarifbindung bei AMAZON ein wesentlicher Baustein für gerechtere Entlohnung in der Branche insgesamt ist.

Dieser Kampf muss von uns durch aktive Teilhabe an den örtlichen Streiks der AMAZON Kolleg:innen für   unterstützt werden. Wir können aber einen Schritt weitergehen, denn schon seit Jahren macht ver.di deutlich, dass es auf der politischen Ebene dringend einer Reform des Verfahrens zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen bedarf. Schließen heute die Tarifparteien einen Tarifvertrag ab, kann dieser durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach § 5 des Tarifvertragsgesetzes einen Tarifvertrag auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien im Tarifausschuss des BMAS für allgemeinverbindlich erklärt werden. Theoretisch. In der Praxis scheitern aber alle Bemühungen der Gewerkschaft am Veto der Arbeitgeberverbände, die kein Interesse haben, ihre Mitgliedsunternehmen zur Einhaltung von Tarifregelungen zu zwingen. Insofern sollten DiEM25 und MERA25 den Hinweis aufnehmen und sich für eine Reform dieses Weges einsetzen. Er unterstützt die Gewerkschaften in ihrer Tarifautonomie und ermöglicht ihnen gleichzeitig, die ausgehandelten Tarifregelungen zum Mindeststandard für alle Beschäftigten einer Branche zu machen.

Thirdly: make AMZON pay taxes

AMAZON darf aber nicht nur als Symbol für die Verweigerung von Unternehmen von arbeitsgerechter Erwerbsarbeit verstanden werden. Es zeigt auch deutlich, wie sich Unternehmen in ihrem Geschäftsmodell die staatliche Infrastruktur einseitig zunutze machen. So könnte der Online-Handel ohne die von Bund, Land und Kommunen gebauten und unterhaltenen Transportwege, egal ob Straßen oder Datenverbindungen, ebenso wenig funktionieren wie ohne die schulische Ausbildung von Beschäftigten oder ohne das Sozialsystem des (aufstockenden) Erwerbslosengeldes und der Sozialhilfe für seine Niedriglohnarbeiter:innen, die am Ende ihres Berufslebens dann wiederum aus dieser Arbeit keine Rente erhalten, sondern erneut auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. In wunderschöner Unterstützung aller heutigen Parteien wurde europaweit ein System ausgebaut, dass die Gewinne an die Vorstände und Aktionär:innen fließen lässt, die Betriebskosten und Folgekosten ihrer Lohnpolitik aber auf die Schultern der Allgemeinheit abschiebt. Von sich heraus ist bei diesem Kurs keine Änderung zu erwarten.

In Zahlen: 2017 und 2018 hat Amazon in den USA keinen Cent an Einkommenssteuern gezahlt, sondern sogar noch Steuerrückerstattungen in einer Größenordnung von 137 bzw. 129 Millionen US-Dollar erhalten. Nicht zu vergessen: 2018 hat der Konzern mehr als 11 Milliarden an Gewinnen erwirtschaftet. 2019 musste das Unternehmen in den USA gerade einmal 162 Millionen US-Dollar an Steuern zahlen, was bei einem Gewinnen von 13 Milliarden gerade einmal einem Steuersatz von 1,2 Prozent entsprach, so CNBC. Auch in Europa hat AMAZON ein System geschaffen, dass die verschiedenen Landesregelungen zu seinem eigenen Vorteil ausnutzt. Sitz des europäischen Verbundes ist Luxemburg, wo das Unternehmen 2020 bei einem Rekordumsatz von 44 Milliarden Euro keine Körperschaftssteuern zahlte. Im Gegenteil, in den Medien wurde vielmehr aufgedeckt, dass die Amazon EU Sarl durch Steuergutschriften in Höhe von 56 Millionen Euro sogar zukünftige Steuerrechnungen ausgleichen könne, sollte sie Gewinne erzielen. Laut dem Unternehmen selbst würden allerdings Körperschaftsteuern auf Gewinnen und nicht auf Umsätzen basieren und erstere seien unter anderem aufgrund großer Investitionen und geringer Margen im Einzelhandel gering ausgefallen. Insofern hintergeht AMAZON somit das Gemeinwese, was auch nicht dadurch besser wird, dass dieser systemische Betrug durch staatliche Deregulierungen auch noch legal machbar ist. In Großbritannien führte diese Art der Steuervermeidung schon zu Boykott-Aufrufen gegen AMAZON durch eine Organisation, die bereits Starbucks in die Knie gezwungen hatte.

Um es zu unterstreichen: AMAZONs Struktur zur Steuervermeidung und somit zum Betrug an der Allgemeinheit ist kein Ausnahmefall. Viele Unternehmen nutzen den Wirtschaftsraum Europa zur Ansiedlung ihrer Konzernzentralen an dem für sie aus Steuersicht günstigsten Standort, führen Landesgewinne dorthin ab, so dass dezentral Steuern umgangen werden und am Europasitz selbst trotz Rekordgewinnen kaum Steuern der Allgemeinheit zugutekommen. All dies nicht gegen, sondern mit Unterstützung der die Regierung stellenden Parteien.

Fourthly: let amazon protect the environment

AMAZON ist des Weiteren mehr als ein Symbol für die Verweigerung vieler Unternehmen von gerechter Entlohnung, Arbeitsbedingungen und eines adäquaten Steuersystems. Denn es geht hierbei auch um die Frage, wie eine gesellschaftliche Entwicklung im Einklang mit nachhaltigen Produkten und einem umweltgerecht werdenden Gesellschaftssystem entwickelt werden kann, denn der Konzern gehört eben auch zu den größten Umweltverschmutzern der Welt. So betrug der Kohlendioxidausstoß von Amazon im Jahr 2018 rund 44,4 Millionen Tonnen, was etwa 85 Prozent der Emissionen ganzer Staaten wie der Schweiz oder von Dänemark entspräche: laut Gregg Marland vom Research Institute for Environment, Energy and Economics der Appalachian State University im US-Bundesstaat North Carolina der Nachrichtenagentur AP². In den seit 2019 erstmals vom Konzern selbst zu den eigenen Emissionen veröffentlichten Zahlen wird jährlich sehr anschaulich gemacht, wie weit das immer wieder in der Öffentlichkeit vorgetragene Ziel der Klimaneutralität bis 2040 von den tatsächlichen Entwicklungen abweicht. So stieg 2021 beispielsweise der CO2 Ausstoß im Vergleich zum Vorjahr um rund 18 Prozent, im Vergleich zu 2019 sogar um satte 40 Prozent. Nach eigenen Angaben verursachte das Unternehmen im vergangenen Jahr 71,54 Millionen Tonnen an Kohlenstoffdioxid-Äquivalenten, was ungefähr einem Zehntel der Gesamtemissionen der Bundesrepublik Deutschland entspricht. Aktiv in Sachen Umweltschutz wird das Unternehmen eben nur, wenn es um die Verschleierung der eigenen Umweltbelastung geht, also beim Kauf von sogenannten Umweltzertifikaten, dem politisch geschaffenen System der Verschleierung der eigentlich verursachten Emissionsmengen heimischer Wirtschafsproduzenten.

Bereits an dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass das Ziel einer nachhaltigen Umweltpolitik noch weniger zu erreichen ist, wenn der alleine auf AMAZON gerichtete Blick ausgeweitet wird auf den Vorbildcharakter, der durch die hier erzielte Gewinne für Nachahmer bei anderen Unternehmen entsteht. Beim Gang durch das eigene Wohnviertel finden sich in den letzten Jahren immer mehr Auslieferungsfahrzeuge. Mittlerweile werden eben nicht mehr nur Briefe und Pakete direkt in die Wohnung gebracht, sondern auch die Anlieferung von Getränken und Lebensmitteln breitet sich Jahr für Jahr ständig aus. Was vielleicht für die/den Einzelnen als Bequemlichkeitsanstieg empfunden werden kann, bedeutet eine Verlagerung des Handels auf die Straße und damit zu einem weiteren Anstieg der CO2-Belastung. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob die Auslieferung durch verbrennungs- oder elektromotorangetriebene Fahrzeuge erfolgt, da auch die Produktion letzterer mit steigenden Umweltbelastungen verbunden ist.

Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass neben dem Anstieg der Kohlenstoffbelastung auch der jährlich anfallende Plastikausstoß weiter zunimmt. So ermittelte die Umweltschutz-Organisation Oceana für AMAZON anhand öffentlich zugänglicher Unternehmensdaten eine hier für das Jahr 2021 anfallende Gesamtmenge von weltweit 321,6 Millionen Kilogramm, wobei es sich überwiegend um Einwegplastik handelt. Und dass es in dieser Hinsicht nicht weniger wird, zeigt der im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnende Anstieg von rund 18 Prozent. Neben der Masse stellt auch die mangelnde Recyclingfähigkeit dieses Produktes ein Problem dar, denn das Einwegplastik lässt sich nur selten wirklich wiederverwenden und landet zumeist weltweit auf Müllhalden oder in den Weltmeeren. Laut Oceana sollen es rund 11,79 Millionen Tonnen des AMAZON-Plastiks sein, welches für die Meeresbewohner zur immer größer werdenden Gefahr wird.

Auf den Müllhaufen landen bei AMAZON und anderen Versandhändler aber nicht nur Verpackungen, sondern häufig auch Neuware, die in dem erworbenen Umfang nicht abverkauft werden kann. Und dies obwohl im vergangenen Jahr ein Gesetz gegen diese Form von Ressourcenverschwendung in Kraft getreten ist. Mit der sogenannten Obhutspflicht will die Politik angeblich verhindern, dass intakte Ware zerstört wird. In der Praxis handelt es sich dabei bislang aber nur um ein Beispiel schöner Worte ohne Gehalt, denn eine Rechtsverordnung zur Obhutspflicht fehlt, so dass bei Verstoß dagegen auch keine Strafen verhängt werden können. So werden auch weiterhin wertvolle Ressourcen verschwendet und die Umwelt unnötig weiter belastet, nur damit der Preis und der damit beabsichtigte Gewinn auf Kapitalist:innenseite eingefahren werden kann.

Fifthy: Reclaiming our democracy

Wie gerade beschrieben wurde, ist AMAZON direkt und indirekt Verursacher eines umweltzerstörenden Liefersystems, das sich in den letzten Jahren immer weiter ausbreitet. Dies führt neben den oben beschriebenen direkten Umwelteinflüssen und der legalisierten Tarif- und Steuerflucht zu einer immer weiter voranschreitenden Stadtteilverödung. Nun soll dies an dieser Stelle nicht in besonderer Tiefe erörtert werden, aber mit Blick auf die Entwicklung ländlicher Kommunen und einzelner Stadtteile kann bereits heute die Schließung von Geschäften mit anschließendem Leerstand diagnostiziert werden – und die daraus entstehende rückläufige soziale Kommunikationsstruktur vor Ort. Insofern trifft das System AMAZON nicht nur kleine und mittlere Geschäftsmodelle, sondern mittel- und unmittelbar auch die Lebensqualität Aller: auf der unmittelbaren Ebene durch Verödung der Innenstädte, gerade in Klein- und Mittelstädten und einzelnen Stadtteilen; mittelbar dadurch, dass Möglichkeiten des direkten Austausches von Menschen miteinander beschnitten werden. Denn lebendige Innenstädte können Pulsadern einer aktiven Gesellschaft sein, die durch gemeinsames Erleben Vorurteile bekämpft und sich für die eigenen Interessen im Austausch einsetzt.

Deswegen ist unsere Kampagne „make amazon pay“ in direkter Sicht unsere Unterstützung der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft ver.di für die Anerkennung und Umsetzung der Branchentarifverträge. Sie ist aber mehr, wie dieser Artikel zeigt. Sie ist unser Kampf für eine Gesellschaft, die alle miteinbezieht und die entsprechend Noam Chomskys eine starke Politik einfordert, die im Sinne der Bürger:innen und nicht der Unternehmen agiert. Denn unser Ziel einer Politik für Vision und Verantwortung, unser Kampf gegen die politische Ohnmacht ist mehr als der gemeinsame Diskurs für eine neuen politischen Weg. Sie ist eine Initiative für das Leben und Handeln vor Ort und das gemeinsame Miteinander.

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